Suche

Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg

Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Was bis heute kaum bekannt ist und noch immer ignoriert wird: Millionen Frauen und Mädchen in Europa und Asien erlebten im Zweiten Weltkrieg sexualisierte Gewalt. Erfahren Sie hier mehr über die Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg und über die dramatischen physischen, psychischen und sozialen Folgen, die bis in die Gegenwart reichen und Generationen überdauern.

Illustration von mehreren Frauen im Profil mit der Headline "Niemals nur Geschichte: Gemeinsam gegen sexualisierte Kriegsgewalt"

Millionen Frauen erlebten während des Zweiten Weltkrieges sexualisierte Gewalt: Betroffen waren Frauen und Mädchen, die von den Nationalsozialisten verfolgt und in Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager inhaftiert wurden: Jüd:innen, Romnija und Sintize, als „asozial“ Gebrandmarkte und Angehörige des Widerstands. Außerdem Frauen und Mädchen in den deutsch besetzten Ländern wie der Sowjetunion, Polen, Frankreich, Niederlande und Partisaninnen, beispielsweise in Jugoslawien. Frauen und Mädchen aus Japans damaliger Kolonie Korea, aber auch aus allen anderen besetzten Ländern wie China, Taiwan oder von den Philippinen, wurden durch die japanische Armee verschleppt und sexuell versklavt. Auch Übergriffe durch sowjetische, US-amerikanische, französische und britische Soldaten sind dokumentiert. Frauen wurden während ihrer Flucht und Vertreibung, während der Kampfhandlungen und unter der Besatzung in den Nachkriegsjahren vergewaltigt.  

Es ist nicht möglich, die Zahl der Betroffenen exakt zu beziffern. Berichte der Frauen, ihrer Angehörigen und Nachbar:innen, Erinnerungen von ehemaligen Soldaten, Krankenhausakten, Aufzeichnungen aus Pfarrämtern sowie Militärakten belegen aber das immense Ausmaß der Gewalt gegen Frauen im Zweiten Weltkrieg. Die Erlebnisse und Geschichten dieser Frauen sind kaum bekannt. Ihr Leid wurde in den Nachkriegsgesellschaften bis heute meist ignoriert und verdrängt – auch in Deutschland. Die Überlebenden hatten kaum Möglichkeiten, über das Erlebte zu sprechen und erhielten keine angemessene Unterstützung. Weder psychosoziale Begleitung noch irgendeine Form der finanziellen Entschädigung und gesellschaftlichen Anerkennung wurden gewährleistet.

„Die schritten unsere Horde ab und guckten und suchten aus: die und die und die. In einem Raum mussten wir uns alle ausziehen, nackend.“

Frau W., Frauenkonzentrationslager Ravensbrück

Es ist endlich Zeit, diesen Frauen in unserer Erinnerung den angemessenen Raum zu geben. Es ist Zeit, das Leid anzuerkennen, das sie erlitten – ebenso wie die ungeheure Kraft, mit der diese Frauen auch nach der traumatischen Erfahrung ums Überleben kämpften, für ihre Kinder sorgten und in den Nachkriegsgesellschaften entscheidend zum Wiederaufbau beitrugen. Und es ist Zeit, patriarchale Strukturen als bestehende und fortwährende Ursache sexualisierter Kriegsgewalt zu erkennen und zu bekämpfen.

Gewalt gegen Frauen im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit

Millionen Frauen und Mädchen in Europa und Asien wurden im Zweiten Weltkrieg Opfer sexualisierter Gewalt. Sie starben an den Folgen der Vergewaltigungen oder wurden anschließend getötet. Viele begingen unmittelbar nach der erlittenen Gewalttat oder in den darauffolgenden Wochen und Monaten Suizid. Die physischen, psychischen und sozialen Folgen für die Überlebenden reichen bis in die Gegenwart.

Die erfahrene Gewalt kann etwa Inkontinenz oder Unfruchtbarkeit zur Folge haben. Ebenso können psychosomatische Erkrankungen wie chronische Unterleibsschmerzen oder Herz-Kreislauf-Störungen auftreten. Psychische Folgen wie extreme Ängste oder Depressionen sind häufig. Viele Betroffene entwickeln posttraumatische Belastungsstörungen und brauchen professionelle Hilfe. Forschungen zeigen, dass etwa die Hälfte der Frauen, die vergewaltigt wurden, langfristig unter posttraumatischen Stress-Symptomen leidet. Die Opfer sexualisierter Kriegsgewalt in Deutschland bekamen keine Unterstützung; die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg wurden weder sozial noch juristisch anerkannt. Vielen blieb allein das Verdrängen. Zerstörung und Trauma entfalteten ihre Wirkung im Stillen.

Schätzungen gehen von vielen hunderttausenden Fällen sexualisierter Kriegsgewalt durch deutsche Täter in Europa aus. Diese waren SA- und SS-Männer, einfache Wehrmachtssoldaten und Polizisten sowie ihre Kollaborateure in den besetzten Ländern. Zu den Tätern zählten ebenso japanische Soldaten. Bis zu 200.000 Frauen und Mädchen aus Japans damaliger Kolonie Korea, aber auch aus allen anderen besetzten Ländern wie China, Taiwan oder von den Philippinen, wurden durch die japanische Armee verschleppt und sexuell versklavt. Sie wurden zynisch als „Trostfrauen“ bezeichnet, um die Verbrechen zu verschleiern. Auch Übergriffe durch sowjetische, US-amerikanische, französische und britische Soldaten sind dokumentiert. Von alliierten Soldaten wurden Frauen während ihrer Flucht und Vertreibung, während der Kampfhandlungen und unter der Besatzung in den Nachkriegsjahren in Europa und Asien vergewaltigt.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fanden die Betroffenen sexualisierter Kriegsgewalt nirgendwo einen Platz im kollektiven Gedächtnis – weder in Europa noch in Asien. Viele Überlebende verschwiegen aus Scham sowie aus Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung, was sie durchlitten hatten. Wie in nahezu jedem Konflikt, wurde sexualisierte Gewalt als eine Art „Kollateralschaden“ des Krieges betrachtet und nicht thematisiert. Es war ein Tabu, über sexualisierte Gewalt, die während des Krieges, in den letzten Kriegsmonaten und den darauffolgenden Jahren verübt wurde, öffentlich zu sprechen. In den meisten Gesellschaften hat sich daran bis heute kaum etwas geändert.

Auch in Deutschland verschwiegen viele Betroffene die Gewalttaten aus Scham, Angst und in Folge des Traumas. Ihr Fokus lag zunächst auf dem existenziellen Überleben der Familie. Unter den Besatzungsmächten galt als Tatbestand sexualisierter Gewalt außerdem ausschließlich die vaginale Penetration und Betroffene mussten glaubhaft machen, sich gewehrt zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Aussagen angezweifelt würden, war groß – es gab weder eine gesellschaftliche Anerkennung dieser Gewalttaten noch ein Interesse, sie systematisch zu verfolgen.

Es gab kaum ein Unrechtsbewusstsein dafür, dass es sich bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen um eine Straftat handelt – weder in Deutschland noch bei den Alliierten. Wehrmachtssoldaten wurden zwar vereinzelt wegen „Notzucht“ vor ein Militärgericht gestellt, aber nur verurteilt, wenn ihre Taten als schädlich für die Kriegsmoral oder die Besatzung gesehen wurden – etwa wenn eine Vergewaltigung den Widerstand in der einheimischen Bevölkerung im besetzten Gebiet hervorgerufen hatte.

Bei den Nürnberger Prozessen wurden im Zuge der Beweisführung viele Beispiele dokumentiert, die Taten aber nicht in die Anklage aufgenommen oder verurteilt. Es wurden auch keine Frauen als Zeuginnen gehört. Vielmehr benutzte man die Berichte, um die besondere Grausamkeit der Angeklagten hervorzuheben. Die allgemeine Straflosigkeit der Täter hat wesentlich dazu beigetragen, dass bis heute keine der am Zweiten Weltkrieg beteiligten Kriegsmächte das Thema angemessen aufgearbeitet hat.

Bis heute gibt es Forschungslücken. Ebenso fehlen die gesellschaftliche Auseinandersetzung und Aufarbeitung. Für die individuellen und unterschiedlichen Erzählungen Betroffener gab und gibt es in der Öffentlichkeit kaum Raum, ihre Erfahrungen wurden in den Diskursen bisher meist vereinnahmt. Die Betroffenen sexualisierter Kriegsgewalt werden nicht angemessen als Opfer des Zweiten Weltkriegs anerkannt: Es gibt so gut wie keine öffentliche Stellungnahmen ranghoher deutscher Politikvertreter:innen und keinen staatlichen Erinnerungsort, der dieses spezielle Leid würdigt.

In und nach jedem Krieg werden Kinder geboren, die von Ssoldaten mit Frauen der besetzten Gebiete gezeugt wurden – die „Children Born of War".  Manche Frauen entscheiden sich zu einem Abbruch, andere bringen ihre Kinder zur Welt und ziehen sie selbst groß oder geben sie zur Adoption frei. Wie viele „Children born of war" in Folge von Vergewaltigungen geboren werden, ist meist ebenso vage zu beziffern, wie die tatsächlich stattfindenden Vergewaltigungen. Um sich selbst und ihre Kinder zu schützen, verschweigen viele Mütter die Wahrheit. Denn auch ihre Kinder werden meist, wie sie selbst, stigmatisiert, diskriminiert und als „Kinder des Feindes" ausgegrenzt.

In Deutschland fanden die sogenannten Besatzungskinder nach 1945 lange Zeit keine Aufmerksamkeit: Erst seit den 2000er Jahren ändert sich das langsam. Nach Schätzungen wurden zwischen 1945 und 1955 etwa 400.000 Kinder geboren, deren Väter Besatzungssoldaten waren; dazu zählen auch jene Kinder, die nicht gewaltsam gezeugt wurden und aus Liebesbeziehungen mit Besatzungssoldaten hervorgegangen sind. Dass die Freiwilligkeit dieser Beziehungen auch stets im Kontext der bestehenden Abhängigkeiten kritisch zu sehen ist, wissen wir nicht nur aus diesem Kriegskontext. In Situationen ungleicher Machtverhältnisse kann für eine Frau die Beziehung zu einem einzelnen Mann in einer Machtposition auch Schutz vor den Übergriffen anderer bedeuten und überlebenswichtig sein.

Neben den „Besatzungskindern" hat sich im Kontext des Zweiten Weltkrieges auch der Begriff der „Wehrmachtskinder“ etabliert. Dieser bezeichnet Kinder, die von deutschen Soldaten in den vom NS-Regime okkupierten Ländern gezeugt wurden. Auch die Zahl dieser Kinder bleibt ungewiss: Für Norwegen gibt es beispielsweise Schätzungen von 10.000 bis 12.000. Allein 8.000 wurden durch den von der SS getragenen Verein Lebensborn registriert. Zu den sogenannten Wehrmachtskindern in den besetzten Gebieten der Sowjetunion wiederum gibt es kaum Dokumente.

Monika Hauser: „Die Männer haben ihre Frauen nicht gefragt: ‚Was ist dir denn im Krieg passiert?‘, damit die Frauen nicht fragen: ‚Und was hast du dort getan?‘“

Folgen sexualisierter Kriegsgewalt über Generationen

Statistiken zeigen, dass etwa die Hälfte der von Vergewaltigung betroffenen Frauen langfristig unter posttraumatischen Stress-Symptomen wie Schlaflosigkeit, unkontrollierbaren Erinnerungsblitzen und Angstzuständen leidet. Verstärkt werden diese Symptome zusätzlich durch die im Anschluss häufig auftretende soziale Stigmatisierung, die Tabuisierung von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie eine meist fehlende öffentliche Anerkennung des erfahrenen Unrechts. Dies kann neben der Isolation der Frauen auch zu großen Spannungen und Konflikten in familiären Beziehungen führen.

Die erlebte Gewalt und die einhergehende Tabuisierung haben jedoch nicht nur Folgen für die direkt Betroffenen. Ihre Traumata werden als transgenerationales Trauma an die folgenden Generationen weitergegeben. Sie prägen unsere Gesellschaft bis in die Gegenwart. Auch wenn sich viele Betroffene trotzdem ein stabiles Leben aufbauen konnten, Stärke und Lebensmut gefunden haben, können Traumata im Alter unvermittelt wieder aufbrechen.

Portraitfoto von Karin Griese, Bereichsleitung Trauma-Arbeit. Karin Griese trägt einen bunt gemusterten Schal.

„Kriegsvergewaltigungen haben eine zerstörerische Wirkung, nicht nur auf die einzelnen Frauen und Mädchen, sondern auch auf Familien und auf das gesamte soziale Gefüge.“

Karin Griese, Leiterin Trauma-Arbeit von medica mondiale

Dass sexualisierte Gewalt aufgearbeitet wird, ist für die Betroffenen, aber auch für die nachfolgenden Generationen essenziell. Denn Traumata der Vergangenheit können, wenn sie nicht aufgearbeitet werden, über Generationen hinweg weiterwirken. Das gilt für Kinder und Enkel:innen, in deren Familien Vergewaltigung verschwiegen und tabuisiert wurde. Es gilt für Kinder, die sexualisierte Gewalt mit ansehen mussten. Und es gilt für Kinder, die durch eine Vergewaltigung gezeugt wurden.

Kriegsvergewaltigungen und Traumata

Heute wissen wir einiges darüber, welche massiven und langanhaltenden gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen sexualisierte Gewalt für Betroffene haben können und wie sie deren Leben beeinträchtigt. Vergewaltigungen sind mehr als „Einzelschicksale“, sie haben ihre Ursachen in kulturellen, politischen, gesellschaftlichen und familiären Verhältnissen und auch die Folgen sind darin eingebettet und wirken sich auf alle aus. Jede:r zweite Überlebende von Folter, andauernder häuslicher Gewalt oder sexualisierter Gewalt im Kriegsgeschehen berichtet von deutlichen psychischen, körperlichen und sozialen Langzeitfolgen. Dazu gehören Antriebslosigkeit und Rückzug aus dem sozialen Leben, chronische körperliche Krankheiten und Schmerzen, massive Schlafstörungen und die grundlegende Erschütterung des Vertrauens in sich selbst und andere Menschen. Viele berichten auch von chronischen Stressreaktionen mit Konzentrationsschwierigkeiten, innerer Unruhe oder Reizbarkeit.

Ohne angemessene psychosoziale Unterstützung kann das Erlebte nicht verarbeitet werden, die Folgen der erlebten Gewalt dauern an und reichen tief in das Leben der Betroffenen. Sie prägen Beziehungen und werden oft als transgenerationale Traumata an die folgenden Generationen weitergegeben. Töchter und Söhne übernehmen das Erbe ihrer Mütter (und Väter) und entwickeln selbst posttraumatische Reaktionen, ohne die Traumatisierung selbst erlebt zu haben. So fällt es Betroffenen von Vergewaltigungen beispielsweise oft schwer, emotionale Nähe zu den eigenen Kindern und anderen Nahestehenden einzugehen. Vergewaltigungen sind ein gezielter Angriff auf das Vertrauen und die Beziehungsfähigkeit.

Portrait von Martina Böhmer, Paula e.V.

„Viele Kinder der Kriegs- und Nachkriegsgeneration sind in Erstarrung großgeworden, in Familien ohne Väter, bei Müttern, die aufgrund der traumatisierenden Kriegserlebnisse keine Bindung zu ihren Kindern aufbauen konnten.“

Martina Böhmer, Gründerin Paula e.V. (Beratungsstelle für Frauen ab 60)

Bis heute gibt es nur wenige wissenschaftlichen Untersuchungen über die transgenerationalen Folgen der Gewalt. Aber zahlreiche Bücher7, Berichte und auch Zuschriften, die medica mondiale im Laufe der Jahre erhalten hat, bezeugen die extreme Last von Leid – und auch von Schuld – an der auch die deutsche Nachkriegsgesellschaft bis heute trägt.

Sexualisierte (Kriegs-)Gewalt verhindern und ihre Folgen beenden

Obwohl es inzwischen auf internationaler Ebene eine Reihe Initiativen gibt, um sexualisierte Kriegsgewalt zu verhindern und zu ahnden, fehlt es weiterhin an einem breiten politischen Bewusstsein für die Notwendigkeit von Präventionsarbeit, die Bedeutung von kurz- und langfristiger Hilfe für Betroffene sowie einer umfangreichen Strafverfolgung dieser Verbrechen. Es benötigt – von Politik über Institutionen bis hin zur Zivilgesellschaft – eine gesamtgesellschaftliche Partizipation, um sexualisierte Kriegsgewalt zu bekämpfen und das Kontinuum der Gewalt in Deutschland sowie in Kriegs- und Nachkriegsregionen zu durchbrechen.

Um zu verhindern, dass sich Traumata transgenerational und gesamtgesellschaftlich fortschreiben, braucht es einen pro-aktiven Umgang mit der Vergangenheit und sexualisierter Gewalt im Zweiten Weltkrieg – in Europa und in Asien. Es werden deutlich mehr niedrigschwellige Beratungs- und Therapieangebote sowohl für betroffene Frauen jeder Altersgruppe als auch für ihre Angehörigen gebraucht.

Insbesondere im höheren Alter können durch veränderte Gedächtnisprozesse, eingeschränkte Mobilität und Pflegebedürftigkeit lange zurückliegende traumatische Erfahrungen reaktiviert werden. Dies wird meist nicht erkannt und Traumafolgen daher häufig als Demenzsymptome fehlinterpretiert. Um darauf adäquat reagieren zu können, braucht es traumasensible Behandlungs- und Versorgungsstandards in Kranken- und Pflegeeinrichtungen und entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal. Auch Angehörige und Nachfahr:innen brauchen Gelegenheit, über das Thema zu sprechen. Das Sprechen kann helfen Verständnis zu entwickeln: für unsere Mütter, für unsere Großmütter und den Kontext, in dem sie aufgewachsen sind. Dieses Verständnis kann eine heilsame Wirkung auf Beziehungen zu anderen, aber auch zum eigenen Selbst bewirken.

Die Kultur des Schweigens überwinden und die Gesellschaft heilen

Das Bewusstsein, dass es sich nicht nur um ein individuelles, sondern auch um ein gesellschaftliches Trauma handelt, kann entscheidend zur Enttabuisierung von Kriegsvergewaltigungen und anderen Formen von sexualisierter Gewalt beitragen. Um die Kultur des Schweigens zu überwinden, brauchen wir Stellungnahmen, auch von Personen des öffentlichen Lebens, zum Beispiel von Politiker:innen. Ihr Sprechen sendet wichtige Botschaften aus. Die öffentliche Anerkennung der sexualisierten Gewalt, die Frauen und Mädchen erfahren haben, ist ein wichtiger Aspekt. Auf gesellschaftlicher Ebene muss das Tabu im Sinne der betroffenen Frauen behutsam aufgebrochen werden. Dabei ist eine differenzierte Wahrnehmung wichtig, die Frauen nicht nur in der Opferrolle zeigt, sondern auch ihre Überlebensstärke würdigt.

Erlebtes sichtbar machen, Frauen würdigen

Das öffentliche Bewusstsein und die öffentliche Anerkennung, dass es sich bei Kriegsvergewaltigungen und anderen Formen von sexualisierter Gewalt nicht nur um ein individuelles Trauma der Betroffenen, sondern auch um ein gesellschaftliches Trauma handelt, kann entscheidend zur Enttabuisierung der Gewalt beitragen. Und es ermöglicht auch, den Blick auf die transgenerationalen Folgen von Kriegsvergewaltigungen zu richten.

Portraitfoto von Monika Hauser vor Kölner Kulisse

„Jahrestage wie der 8. Mai wecken kollektiv schmerzhafte Erinnerungen, Trauer, Wut- und Ohnmachtsgefühle. Diese müssen wahrgenommen und gewürdigt werden.“

Monika Hauser zum Gedenktag 8. Mai 2020, 75 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg.

Der Mit dem „Internationalen Tag der Trostfrauen“ am 14. August erinnern wir gemeinsam mit dem Korea Verbandt jährlich an das Leiden der sogenannten Trostfrauen und an die Menschenrechtsverletzungen, die niemals von offizieller Stelle verurteilt wurden.

„Hunderttausende Frauen überlebten das Trauma, aber konnten oder durften nicht über das Erlebte sprechen. Ihre Geschichten und ihr Leid werden in den Nachkriegsgesellschaften bis heute überwiegend ignoriert und verdrängt“.

Sara Fremberg, Bereichsleiterin Kommunikation und Politik bei medica mondiale

medica mondiale ist länderübergreifend in verschiedenen Projektregionen tätig und hat in enger Kooperation mit Partnerinnenorganisationen den „STA – stress- und traumasensibler Ansatz®“ entwickelt, der über die Grundprinzipien Stabilität und Sicherheit, Verbindung und Empowerment eine Haltung entwickelt, die von sexualisierter Gewalt Betroffene unterstützt, ein unterstützendes Umfeld fördert und gleichzeitig nachhaltige Bedingungen für die Prävention schaffen kann.

„Ich habe die schrecklichste Zeit meines Lebens verdrängt. 65 Jahre mussten vergehen, bis ich durch medica mondiale ermutigt wurde, zu sprechen.“

Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt im Zweiten Weltkrieg, Berlin.

Ausgehend von der Bedeutung des Umfeldes arbeitet medica mondiale auf den Ebenen von Familien, Gemeinden und Gesellschaften, damit Schritt für Schritt Frauen sowie nachfolgende Generationen über ihre Erfahrungen sprechen können und diese anerkannt werden. So konnte medica mondiale dazu beitragen, dass den von sexualisierter Kriegsgewalt betroffenen Frauen in Bosnien und Herzegowina inzwischen von der Regierung eine Entschädigungsrente zuerkannt wird. Außerdem gibt es mittlerweile eine Organisation für die Anerkennung und die Rechte der Kinder, die aus Vergewaltigungen hervorgegangen sind – The Forgotten Children of War Association.

medica mondiale kämpft für ein Ende sexualisierter Kriegsgewalt und die Unterstützung von Überlebenden - in allen Kriegeb

Ob vor 80 Jahren im Zweiten Weltkrieg, vor 30 Jahren in Bosnien und Herzegowina oder in aktuellen Konflikten, wie in Afghanistan oder der Demokratischen Republik Kongo – sexualisierte Kriegsgewalt war und ist allgegenwärtig. Noch immer werden Frauen und Mädchen in Kriegen verschleppt, versklavt und vergewaltigt. Denn die Ursachen von Gewalt gegen Frauen liegen insbesondere auf struktureller Ebene. Sexualisierte Kriegsgewalt ist Ausdruck patriarchaler Strukturen und ungleicher Machtverhältnisse, die weltweit verbreitet in allen Kulturen, Religionen und Gesellschaften ist. Seit 1993 kämpfen wir gemeinsam mit unseren Verbündeten deshalb unermüdlich gegen sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen.

Immaculate Mukasa und Jackie Bless Pinoloya (MEMPROW, Uganda) bei einer Gruppenübung während der länderübergreifenden Beneficiary Convention
Unser Einsatz für Frauenrechte
Mit unserem Einsatz für Frauenrechte unterstützen wir Überlebende sexualisierter Gewalt dabei, in Würde, Gerechtigkeit und frei von Gewalt zu leben.

medica mondiale fordert, dass die Überlebenden umfassend unterstützt werden und kämpft gemeinsam mit Verbündeten weltweit gegen patriarchale Machtstrukturen, die Frauen unterdrücken und sexualisierte Gewalt begünstigen. Wir fordern die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft auf zu handeln, um sexualisierte Kriegsgewalt in allen Konflikten zu beenden. Die Unterstützung der Überlebenden und die Bekämpfung sexualisierter Gewalt ist dabei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Justiz und Politik, Institutionen, Zivilgesellschaft und die breite Öffentlichkeit – sie alle müssen hier Verantwortung übernehmen und zu Dokumentation und Wahrheitsfindung, zu Erinnerungskultur und Wiedergutmachung sexualisierter Kriegsgewalt beitragen.