Wir unterstützen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten.
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Frauenrechte in Afghanistan

Die Situation für Frauen und Mädchen in Afghanistan hat sich mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 massiv verschlechtert.

Eine Frau mit rotem Schleier läuft an einer Betonmauer mit Stacheldraht entlang in Kabul Afghanistan.

In Afghanistan leiden die Menschen seit Jahrzehnten unter Krieg und Terror. Rund 25 Millionen der knapp 33 Millionen Afghan:innen leben in Armut, viele hungern. Laut eines UN-Berichts ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mit der Machtergreifung der Taliban im August 2021 verschärfte sich die Situation vor allem für Frauen und Mädchen gravierend.

Taliban missachtet mit unvergleichlicher Härte Frauenrechte in Afghanistan

In nur wenigen Monaten höhlten die meist männlichen Islamisten mit unvergleichlicher Härte die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen aus – trotz anfänglicher Versprechen, Frauenrechte im Rahmen der Scharia zu respektieren. Stattdessen erließen die Taliban Vorschriften, die Frauen und Mädchen daran hindern, ihre grundlegenden Rechte auf Meinungsäußerung, Freiheit und Bildung wahrzunehmen. Afghan:innen, die friedlich für ihre Rechte protestieren, werden bedroht, verhaftet und gefoltert. Frauenrechtsaktivist:innen berichten von Entführungen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen.

Rechtlosigkeit von Frauen wird zu staatlicher Politik

Nach dem Einmarsch der NATO-Truppen in Afghanistan 2001 hatten Aktivist:innen große Fortschritte in der Gesetzgebung erkämpft. Allerdings existierten viele staatlich verbriefte Rechte auch bis kurz vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 nur auf dem Papier. Patriarchale Strukturen, religiöser Fundamentalismus und Korruption verhinderten die Umsetzung der Gesetze.

Unter den Taliban wurde die Rechtlosigkeit von Frauen staatliche Politik: Ein weiteres Mal wurden sie aus dem öffentlichen Leben verbannt. Der Zugang zu zivilen Rechten und Freiheiten wurde radikal beschnitten. Alternative Lebensentwürfe von Frauen, die ein von der Familie unabhängiges Leben führen oder ihre Homosexualität leben möchten, sind gänzlich unmöglich geworden. Frauenrechtsaktivist:innen sind massiv bedroht. Trotzdem kämpfen afghanische Frauen nach wie vor gegen die Gewalt und den Fundamentalismus der Taliban.

medica mondiale: Akute Bedarfe von Frauen und Mädchen im Fokus

medica mondiale unterstützt die Mitarbeitenden ihrer Partnerorganisationen und Frauenrechtsverteidiger:innen dabei, sich und ihre Familien im Ausland in Sicherheit zu bringen. Mit unseren Projekten und Partnerorganisationen vor Ort fokussieren wir uns auf akute Bedarfe wie Schutz und psychosoziale Unterstützung für Frauen und Mädchen. Um weitere Unterstützungsmöglichkeiten zu identifizieren, sind wir im Austausch mit Frauenrechtsaktivist:innen innerhalb und außerhalb Afghanistans.  

 

Neun Fakten über Frauenrechte in Afghanistan

1. Einschränkung der Bewegungsfreiheit & restriktive Kleidervorschriften

Die Taliban erließen eine Reihe von Dekreten und Richtlinien, die die Menschenrechte von Frauen und Mädchen missachten, darunter: das Recht auf Bewegungsfreiheit. Frauen dürfen öffentliche Verkehrsmittel nur benutzen, wenn sie von einem männlichen Verwandten, einem Mahram, begleitet werden. Generell dürfen sie das Haus nur zu dringenden Besorgungen und nur vollständig verschleiert verlassen.

Halten sich die Frauen nicht an die Kleidervorschriften, droht ihren männlichen Verwandten Haft. Nachrichtensprecher:innen im Fernsehen müssen ihr Gesicht während der Ausstrahlung des Programms vollständig verschleiern.

2. Von Gewalt bedrohte Frauen und Mädchen ohne Schutz

Den Überlebenden sexualisierter Gewalt bleiben kaum noch Anlaufstellen. Das landesweite Unterstützungssystem, das Frauenrechtler:innen in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut hatten, ist fast vollständig zusammengebrochen. Frauenhäuser wurden geschlossen, Mitarbeitende von Organisationen, die Schutz und Beratung anboten, bedroht. Das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (EVAW Law), das seit 2009 22 Misshandlungen von Frauen unter Strafe stellte, hat keine Gültigkeit mehr. Auf ihrem Eroberungszug durch das Land ließen die Taliban 2021 systematisch Gefangene frei. Viele von ihnen waren wegen geschlechtsspezifischer Gewalt verurteilt worden.

Trotz der Machtübernahme durch die Taliban sind wir entschlossen, weiterhin für die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan einzutreten. Nie war Ihre Unterstützung wichtiger!

3. Kinder- und Zwangsheirat: Armutsbekämpfung und Kriegsbeute

Schon vor dem Sieg der Taliban war eines von drei Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag zwangsverheiratet worden. Diese hohe Zahl stieg 2021 weiter an. Die humanitäre Krise im Land trifft kinderreiche Familien besonders hart. Um nicht zu verhungern, greifen mehr Eltern auf patriarchale Traditionen zurück und verheiraten ihre oft noch sehr jungen Töchter gegen einen Brautpreis.

Manche Familien verheiraten ihre Töchter auch, um sie zu schützen: Vor einer Zwangsheirat mit einem Taliban-Kämpfer. Denn immer wieder zwingen die Islamisten Familien dazu, ihnen ihre unverheirateten Töchter als Ehefrauen zu geben. Andere verheiraten ihre Töchter mit einem Talib, um die Familie unter dessen Schutz zu stellen. Das von der Taliban im Dezember 2021 erlassene Dekret zum Verbot von Zwangsheirat schützt sie nicht.

Soraya Sobhrang, afghanische Frauenrechtsaktivistin sitzt im Vordergrund, hinter ihr ein Teich CR Rendel Freude

„Vielen jungen Mädchen droht die Zwangsverheiratung, denn die Hungersnot, die in Afghanistan wütet, treibt die Menschen zur Verzweiflung – sie verkaufen ihre Töchter in der Hoffnung, so wenigstens den Rest ihrer Familie vor dem Hungertod bewahren zu können.“

Soraya Sobhrang, afghanische Frauenrechtsaktivistin

4. Mädchen wird das Recht auf Bildung abgesprochen

Vor 2021 gingen immerhin knapp 60 Prozent der 10-jährigen Mädchen zur Schule. Von den 15-Jährigen Mädchen besuchten zwar nur noch 30 Prozent weiterführende Klassen und 80 Prozent der Mädchen mit einer körperlichen Beeinträchtigung hatten keinen Zugang zu Bildung. Es gab jedoch keine staatlichen Barrieren, die Mädchen von der Schulbildung ausschlossen. Eine der ersten politischen Handlungen der Taliban war es, den Mädchen in vielen Provinzen den Besuch von weiterführenden Schulen zu verbieten. Derzeit gibt es nur wenige Sekundarschulen, die weiterhin Mädchen unterrichten. Ohne Bildung aber steigt das Risiko für Mädchen, ausgebeutet, missbraucht oder früh verheiratet zu werden. Ihre Chancen später einmal zu studieren und einen guten Job zu finden schwinden.

Auch Studienmöglichkeiten sind für junge afghanische Frauen massiv eingeschränkt. Sie können Seminare nur noch besuchen, wenn ihre Universität geschlechtergetrennten Unterricht anbietet. Schikanen der Taliban – wie Kleidungsvorschriften, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und geschlechtsspezifische Gewalt – schüren ein Klima der Angst, das den jungen Frauen den Zugang zu Bildung weiter erschwert. Frauen, die sich an Protesten beteiligten, wurden vom Studium ausgeschlossen.

Portraitfoto von Humaira Rasuli.

„Alle Mädchen sollten die Möglichkeit haben, Schulen und Universitäten zu besuchen. Alle Frauen sollten sofort und ohne Bedingungen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, in welcher Funktion auch immer sie vor August 2021 tätig waren.“

Humaira Rasuli, afghanische Aktivistin und Menschenrechtsanwältin, Gastwissenschaftlerin an der William & Mary Law School (Williamsburg, USA)

5. Frauen haben nur wenige Möglichkeiten zu arbeiten

Seit der Machtübernahme der Taliban ist ein Großteil der vormals berufstätigen Frauen zuhause: Manche dürfen noch mit einem männlichen Verwandten (Mahram) am Arbeitsplatz erscheinen, anderen wurde direkt gekündigt. 84 Prozent der Journalist:innen hörten bis August 2022 aus Angst vor Repressionen auf, zu arbeiten. Rechtsanwält:innen und Richter:innen sind überwiegend von der Arbeit ausgeschlossen und leiden schwer unter den Restriktionen.

Auch Frauen, die dringend benötigte humanitäre Projekte umsetzen, im Bildungs- oder Gesundheitssektor tätig sind, können nur noch eingeschränkt arbeiten. So dürfen Ärzt:innen beispielsweise keine männlichen Patienten behandeln oder sich mit ihren männlichen Kollegen austauschen. Gleichzeitig mussten viele gut ausgebildete Frauen fliehen.

6. Zivilgesellschaftliche Frauenrechtsarbeit massiv unter Druck

Seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 stehen die afghanischen Frauen an vorderster Front im Widerstand gegen die Unterdrückung durch die Taliban. Sie haben friedlich protestiert und Gleichheit, Rechte, Gerechtigkeit und Frieden gefordert. Ihre Proteste setzten sie trotz der brutalen Schläge, Verhaftungen, Inhaftierungen und Entführungen von Demonstranten durch die Taliban fort.

7. Politische Beteiligung von Frauen nicht vorgesehen

Dank einer Quotenregel waren vor der Machtergreifung der Taliban 27 Prozent der Abgeordneten im Parlament Frauen. Landesweit gab es 21 Prozent weibliche Strafverteidiger:innen. 265 von insgesamt 1.951 Richter:innen waren Frauen. In der neuen Regierung gibt es keine einzige Ministerin. Das Frauenministerium wurde abgeschafft. Stattdessen installierten die Taliban erneut das berüchtigte „Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters“, das die frauenfeindlichen Erlasse des Regimes umsetzt.

8. Hohe Mütter- und Kindersterblichkeit

Auch wenn die Müttersterblichkeit seit 1990 kontinuierlich sank, war sie 2020 immer noch eine der höchsten der Welt. Ursachen sind das oft junge Alter der Mutter, Mangelernährung und schlechte medizinische Versorgung der Schwangeren. Nur rund die Hälfte der Geburten werden von Hebammen und Ärzt:innen begleitet. Vier von zehn Kindern sterben vor ihrem ersten Geburtstag. Angesichts der humanitären Krise und der eingeschränkten Arbeits- und Bewegungsfreiheit von Frauen werden diese Zahlen weiter ansteigen.

9. Diskriminierung und Gewalt an Minderheiten & der LGBTIQ+ Community

Die mehrheitlich schiitischen Hazara sind seit langer Zeit Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt. Mit der Machtübernahme der Taliban hat die Unterdrückung zugenommen. Insbesondere Frauen und Mädchen sind von multiplen Formen der Diskriminierung und Gewalt betroffen.

Zahlreiche Anschläge wurden gezielt auf Frauen und Mädchen der ethnischen Minderheit Hazar verübt, unter anderem gab es Angriffe auf Mädchenschulen und Bildungseinrichtungen. Aktivist:innen machen durch Kampagnen auf den „stillen Genozid“ aufmerksam und mutige Hazara-Frauen protestieren immer wieder auf den Straßen afghanischer Städte gegen das Unrecht.

Auch das Leben von LGBTIQ+-Personen hat sich unter den Taliban extrem verschlechtert. Im Einklang mit ihrer offenen Anti-LGBTQ+-Haltung haben die Taliban eine Reihe von Anschlägen auf auf Schwule, Lesben und andere Menschen verübt, deren Verhalten nicht den traditionellen Geschlechternormen entspricht.

(Stand: 10/2022)

„Für den Moment wünsche ich mir, dass die Frauen meines Landes stark, geduldig und nicht enttäuscht sind, und dass sie ihren kämpferischen Geist und Sinn für Gerechtigkeit nicht verlieren. Ein wenig Geduld, die Morgendämmerung ist nah!”

Ehemalige Mitarbeiterin einer afghanischen Partnerorganisation von medica mondiale

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Deutschlandfunk Kultur (Audiobeitrag vom 10.08.2022)

„Frauen in Afghanistan – Für Aktivistinnen wird es immer gefährlicher”
Vor einem guten Jahr haben die Taliban erneut die Macht in Afghanistan übernommen. Seitdem hat sich das Leben im Land radikal verändert, insbesondere für Frauen und Mädchen. Wie steht es um die Frauenrechte in Afghanistan? Monika Hauser, Vorstandsvorsitzende und Gründerin von medica mondiale, im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.

WDR for You (Sendung vom 22.02.2022)

„Wer hilft eigentlich Afghanistan?“ Diese Frage stellte die TV-Journalistin Isabel Schayani in einem live-talk bei „WDR for you“ einigen Mitarbeiter:innen internationaler Hilfsorganisationen. Unter ihnen war auch Soraya Sobrangh, Frauenrechtsaktivistin und Direktorin unserer Partnerorganisation in Afghanistan.

WDR-Interview vom 15.02.2022

Ein halbes Jahr nach der gewaltsamen Machtübernahme der radikalislamischen Taliban fragte die WDR-Journalistin Sabine Meuter die Vorständin von medica mondiale, Sybille Fezer, nach ihrer Einschätzung der Lage in Afghanistan und der speziellen Situation von Frauen und Mädchen: Desolate Lage in Afghanistan: „Eine humanitäre Katastrophe“

ARTE-Interview

Wie ist die Lage von Frauenrechten unter den Taliban? Und was erwarten afghanische Frauenrechtsaktivist:innen jetzt von der internationalen Gemeinschaft? Die afghanische Frauenrechtlerin Humaira Rasuli, langjährige Weggefährtin von medica mondiale, im Interview mit ARTE (Video verfügbar bis 1.10.2024).

Soraya Sobhrang, afghanische Frauenrechtsaktivistin sitzt im Vordergrund, hinter ihr ein Teich CR Rendel Freude

„Wir wollen eine Brücke bilden zwischen den Aktivistinnen vor Ort und außer Landes, um weiterhin für Frauen- und Menschenrechte in Afghanistan eintreten zu können. Ein Netzwerk von Frauen für Frauen – das ist ein Ziel für die Zukunft.“

Soraya Sobhrang über die aktuelle Situation in Afghanistan nach ihrer Evakuierung

Eine Frau mit lockigem dunklen Haar steht auf einer Terrasse, wo im Hintergrund der Kölner Dom zu  sehen ist. Es ist Inga Weller, Regionalreferentin Afghanistan & Nordirak bei medica mondiale.

„Als Regionalreferentin für Afghanistan und den Nordirak ist mein zentrales Anliegen nun gemeinsam mit afghanischen Frauenrechtsaktivist:innen neue Wege für die Arbeit in Afghanistan zu finden und Frauen und Mädchen weiter zu unterstützen.“

Inga Weller über ihre Arbeit im Afghanistan-Krisenteam und die Situation in Afghanistan

Zahlen & Fakten aus der Praxis

1. Individuelle Unterstützung von Tausenden von Frauen

Konkrete Hilfe

Unsere Partnerorganisation hat über zwei Jahrzehnte Tausende von gewaltbetroffenen Frauen psychosozial und rechtlich beraten. Berater:innen haben sie gestärkt und dabei unterstützt, ihren Weg in Würde zu gehen. Anwält:innen haben dafür gesorgt, dass inhaftierte Frauen faire Gerichtsverfahren bekamen und freigelassen wurden. Weitere Frauen erhielten Entschädigungszahlungen für das ihnen zugefügte Leid.

Empathische Begleitung in schwierigen Situationen

Stress- und traumasensible Begleitung stärkt das Selbstwertgefühl von Frauen. Sie wurden mit ihren Anliegen ernst genommen und erfuhren, dass jede Frau Rechte hat: nach islamischem Recht, nach nationalem Recht und nach den universalen Menschenrechten. Sie haben gelernt, in ihren Familien für ihre Belange einzustehen und für sich selbst zu sorgen. Diese Erfahrung bleibt auch in Krisenzeiten bestehen.

2. Gesellschaftliches Bewusstsein für Frauenrechte und Gewalt gegen Frauen

Durch unermüdliche Medienarbeit und Aufklärung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und in unterschiedlichen Arbeitsbereichen hat unsere Partnerorganisation die Debatte über Frauenrechte und über Gewalt gegen Frauen in Afghanistan beeinflusst und bereichert. Dass diese Debatte geführt wurde und fortwirkt, ist eine der größten Errungenschaften der letzten 20 Jahre.

3. Fachliche Weiterbildung

Zahlreiche Personen in verschiedenen Sektoren wurden von medica mondiale und von lokalen Fachfrauen über Jahre zu verschiedenen Aspekten von Frauenrechten und Gewalt gegen Frauen geschult. Ziel war nicht nur der Zuwachs an Wissen, sondern auch eine Veränderung von Bewusstsein und Haltung. Das geht auch unter dem neuen Regime nicht verloren: Frauen, die im Gesundheitssystem oder in der Bildung arbeiten, werden das Gelernte anwenden und weiterentwickeln.

4. Stärkung der Verbindung unter Frauenrechtler:innen

In den letzten 20 Jahren haben sich unter afghanischen Aktivist:innen starke Netzwerke entwickelt. Sie beruhen auf fachlicher Expertise, auf gemeinsamen politischen Überzeugungen und auf persönlichen Beziehungen. Die neuen Machthaber können das nicht auslöschen. Aktivist:innen im Exil und vor Ort knüpfen an diese gemeinsamen Erfahrungen an. Dabei entstehen auch neue Kooperationsstrukturen.

5. Erfahrung und Kontinuität in der politischen Arbeit

Große politische Erfahrung

Frauenrechtsverteidiger:innen haben in den vergangenen Jahren umfangreiche Erfahrung zu politischen Prozessen in lokalen und transnationalen Gremien gesammelt. Sie haben sich erfolgreich vernetzt und mit hochrangigen Politiker:innen debattiert. Sie sind damit vertraut, ihre Forderungen und roten Linien miteinander zu vereinbaren, diese nach außen zu vertreten und so ihre Rechte einzufordern.

Nur ein Rückschlag: Der Kampf um Frauenrechte geht weiter

Gemeinsam mit Gleichgesinnten haben Aktivist:innen mit unermüdlichem Engagement erreicht, dass Gesetze und Regelungen geschaffen wurden, die Gewalt gegen Frauen vermindern und unter Strafe stellen. Sie wissen, dass Aushandlungsprozesse auch unter extrem ungleichen Machtbedingungen möglich sind. Wir mussten einen herben Rückschlag erleiden, aber unsere gemeinsame Arbeit geht weiter.

Zu sehen ist das Logo der Frauenrechtsorganisation medica mondiale im Hintergrund mit arabischen Schriftzeichen darunter. Rechts davor das Gesicht einer freundlich lächelnden Frau. Es ist Rechtsberaterin Jihan Abas Mohammed.
Zu sehen ist das Logo der Frauenrechtsorganisation medica mondiale im Hintergrund mit arabischen Schriftzeichen darunter. Rechts davor das Gesicht einer freundlich lächelnden Frau. Es ist Rechtsberaterin Jihan Abas Mohammed.
Partnerorganisationen weltweit
Übersicht über alle Partnerorganisationen von medica mondiale

Arbeitsschwerpunkte

medica mondiale arbeitet seit 20 Jahren in Afghanistan. Aus dem Programm der ersten Jahre ging eine selbstständige afghanische Frauenorganisation hervor. Mit ihr arbeitete medica mondiale eng zusammen und beriet sie in Organisations- und Fachfragen. Gegen alle Widerstände unterstützten die Aktivist:innen gewaltbetroffene Frauen und kämpften für gesellschaftliche Veränderung – auch mit Förderung der Bundesregierung. Durch die Machtübernahme der Taliban 2021 gerieten sie in Lebensgefahr.

medica mondiale fordert: Die Bundesregierung muss ihrer politischen Verantwortung gerecht werden, damit weitere gefährdete Aktivist:innen nach Deutschland fliehen können. medica mondiale setzt alles daran, Frauen in Afghanistan auch weiterhin zu unterstützen. Wir prüfen zu diesem Zweck kontinuierlich weitere Maßnahmen zur Unterstützung von Frauenrechtsaktivist:innen und zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt.

Portraitfoto von Humaira Rasuli.

„Wir brauchen internationale Organisationen, die die afghanische Frauenbewegung sowohl finanziell als auch technisch und moralisch unterstützen. Ich glaube, dass Frauenorganisationen die einzigen Räume sind, die den afghanischen Frauen und Mädchen bleiben, um zusammenzukommen.“

Humaira Rasuli, afghanische Aktivistin und Menschenrechtsanwältin, Gastwissenschaftlerin an der William & Mary Law School (Williamsburg, USA)

1. Psychosoziales Beratungsprogramm

medica mondiale hat den STA – stress- und traumasensiblen Ansatz® in enger Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen entwickelt. Auf der Grundlage praktischer Erfahrungen vor Ort schulte medica mondiale die Berater:innen in Afghanistan in den letzten 20 Jahren kontinuierlich in diesem Konzept.

Psychosoziale Beratung für Aktivist:innen

Im Rahmen eines Projekts mit AWPFO – Organisation für Frieden und Freiheit der afghanischen Frauen – geht medica mondiale auf die dringenden psychosozialen Beratungsbedürfnisse besonders gefährdeter Frauen ein. Zur Zielgruppe gehören Menschenrechtsverteidiger:innen, Friedensaktivist:innen, Aktivist:innen der Zivilgesellschaft sowie Journalist:innen, Strafverteidiger:innen, Staatsanwält:innen, Lehrer:innen und Universitätsdozent:innen.

Durch psychosoziale Beratung soll ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden gestärkt werden. Der Beratungsbedarf ist mit der Machtübernahme der Taliban stark angestiegen. medica mondiale berät AWPFO fachlich bei der Umsetzung von stress- und traumasensiblen Angeboten.

2. Schutz von Aktivist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen

Zusammen mit unserer Partnerorganisation für Sicherheit und Risikominderung (SRMO) in Afghanistan, stärken wir die Zivilgesellschaft vor Ort und bieten Schutz und Unterstützung für gefährdete Menschenrechtsverteidiger:innen.

3. Wissensvermittlung im Bereich Rechtsberatung

Mit der afghanischen Organisation WJO – Organisation „Frauen für Gerechtigkeit“ – führen wir ein Programm zur Ausbildung von Jurist:innen durch. Ziel ist, zukünftigen Anwält:innen notwendiges Wissen beispielsweise über Frauenrechte und juristische Werkzeuge zu deren Umsetzung zu vermitteln. So soll Gerechtigkeit für Frauen vor dem Gesetz erreicht und der Schutz ihrer Menschenrechte gestärkt werden.

Stress- und traumasensible Rechtsberatung

Bis Mitte 2021 bot das Rechtshilfeprojekt unserer afghanischen Partnerorganisation Frauen kostenfreie stress- und traumasensible Rechtsberatung an. Viele Frauen hörten so zum ersten Mal, dass auch sie Rechte haben.

4. Unterstützung für Frauenorganisationen während der Talibanherrschaft

Im Rahmen einer Projektförderung unterstützt medica mondiale ein Programm zur Stabilisierung afghanischer Frauenorganisationen. Ziel ist es, dass diese unter den gegenwärtigen Bedingungen sicher arbeiten können. Für strategische Weiterentwicklung sowie die Planung und Umsetzung von Unterstützungsangeboten für Mädchen und Frauen in Afghanistan, stellt medica mondiale entsprechende Ressourcen zur Verfügung.

(Stand „Arbeitsschwerpunkte“: 07/2022)

Vida Faizi sitzt auf einem Sessel, neben ihr eine grüne Pflanze.

„Die Medien und alle Menschen können Afghaninnen eine Plattform geben. Macht unsere Stimmen hörbar und teilt unsere schmerzhaften Botschaften, bis die Welt sie versteht!“

Lailoma Vida Faizi, Projektreferentin für Afghanistan bei medica mondiale

„Die internationale Gemeinschaft kann Druck auf die Taliban ausüben und sollte afghanische Aktivistinnen zu jedem Treffen über Afghanistan einladen. Afghanische Frauen sollten an jeder Entscheidung über ihr Heimatland und ihr Schicksal beteiligt werden. Keine ausländische Frau kann die afghanischen Frauen repräsentieren.“

Afghanische Frauenrechtsaktivistin und Rechtsanwältin

„Ich glaube, dass die internationalen Medien dafür sorgen können, dass Afghanistan in ihren Nachrichten hervorgehoben wird und das Land in der Berichterstattung präsent bleibt. Isolation und Ignoranz durch die Medien sind sehr gefährlich. Sie ermöglichen den Taliban, ihre Gräueltaten und die Geschlechter-Apartheid fortzusetzen, ohne Angst vor Rechenschaftspflicht. Die Medien sind eine der Möglichkeiten, die Taliban zur Rechenschaft zu ziehen und ihnen zu zeigen, dass die Welt auf sie schaut.“

Horia Mosadiq, afghanische Menschenrechtsverteidigerin