Wir unterstützen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten.
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Feministische Außenpolitik – für Frauenrechte, gegen Gewalt

Feministische Außenpolitik: Außenministerin Baerbock hat sie für Deutschland ins Spiel gebracht. Konsequent umgesetzt kann sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, sexualisierte Kriegsgewalt zu verhindern. Doch was genau ist feministische Außenpolitik? Definitionen, Hintergründe, Forderungen.

Feministische Außenpolitik ist mehr als Frauenförderung. Eine weltweit einheitliche Definition, was feministische Außenpolitik im Detail ist und vor allem wie sie in der Praxis funktioniert, gibt es nicht. Populär gemacht wurde das Konzept 2014 von der damaligen Außenministerin Schwedens, Margot Wallström. Seine Ursprünge liegen jedoch rund 100 Jahre früher in der internationalen Frauenfriedensbewegung während des Ersten Weltkriegs. Das Ziel damals wie heute: dauerhafter Frieden.

Eine zentrale Vorrausetzung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit sieht die feminist foreign policy – so der englische Begriff – in Geschlechtergerechtigkeit und dem Überwinden von Diskriminierung und Gewalt. So kann feministische Außenpolitik wirksam zur Bekämpfung von sexualisierter Kriegsgewalt beitragen.

Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten

medica mondiale setzt sich seit langem für eine feministische deutsche Außenpolitik bei der Bekämpfung sexualisierter Kriegsgewalt ein. Denn konsequent umgesetzt, kann feministische Außenpolitik Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisenregionen schützen. Völkerrechtliche Grundlage ist unter anderem die Resolution 1325 der Vereinten Nationen (UN). Sie stellt den Schutz von Frauen und Mädchen sowie ihre zentrale Rolle als Akteur:innen für Frieden in den Fokus. Zudem verpflichtet sie die Regierungen, Überlebende und Aktivist:innen aktiv an Friedensprozessen zu beteiligen. Ihre Bedarfe und Perspektiven müssen Grundlage für politische Konzepte und Maßnahmen sein.

Um wirksam zu sein, muss feministische Außenpolitik aber weiteren Prinzipien folgen. Unsere Vision:

Eine feministische Außenpolitik ist machtkritisch. Sie erkennt die bestehenden Machtungleichheiten zwischen den Geschlechtern in patriarchalen Gesellschaften an und trägt dazu bei, diese zu überwinden. Denn diskriminierende Macht- und Herrschaftsverhältnisse sind die Ursache für sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt. Ziel ist es, Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen. In diesem Sinne wirkt feministische Außenpolitik transformativ.

Feministische Außenpolitik setzt auf einen intersektionalen Ansatz, der den Blick auf alle bestehenden Machtungleichheiten sowie auf Mehrfachdiskriminierungen legt: Die Lebenssituation aller marginalisierten Gruppen wird in den Mittelpunkt von Konzepten und Umsetzungsmaßnahmen gestellt. So können Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts – aber auch aufgrund von Herkunft, Rassifizierung, sexueller Orientierung oder Behinderung – überwunden werden.

Eine feministische Außenpolitik ist menschenrechtsbasiert. Sie fußt auf dem internationalen menschenrechtlichen Rahmen – wie den Menschenrechtsverträgen und -institutionen. Wichtiger Teil dieses normativen Rahmens ist die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ der Vereinten Nationen (Resolution 1325).

Die Bekämpfung von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ist ein Kernanliegen feministischer Außenpolitik. Es gilt Gewalt zu verhindern und Überlebende zu unterstützen. Die Gewalt sowie ihre traumatischen Folgen werden dabei als gesamtgesellschaftliche Verantwortung begriffen, nicht als individuelles Problem. Grundlage allen Handelns sind die Bedarfe der Betroffenen. Überlebende benötigen Zugang zu langfristiger und ganzheitlicher Unterstützung: in Form von medizinischer Versorgung, psychosozialer Beratung, existenzsichernden Maßnahmen und Rechtsberatung. Wichtig dabei ist, dass die Unterstützungsangebote stress- und traumasensibel ausgestaltet sind.

Aktivist:innen und Frauenrechtsorganisationen bieten Überlebenden wichtige Unterstützung und setzen sich für ihre Rechte ein. Gleichzeitig werden sie oft bedroht, verfolgt und an ihrer Arbeit gehindert. Immer wieder sind sie selbst direkter Gewalt ausgesetzt. Besorgniserregend ist zudem das weltweite Erstarken antifeministischer Ideologien und Bewegungen in den vergangenen Jahren. Deshalb stärkt eine feministische Außenpolitik Aktivist:innen und Frauenrechtsorganisationen nicht nur politisch. Sie schützt sie auch diplomatisch und unterstützt sie finanziell.

Eine feministische Außenpolitik schützt und stärkt das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Hierzu gehört auch der Zugang zu einem legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch – denn sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung ist ein international verbrieftes Menschenrecht. 

Konzeptpapiere und Strategien sind richtig und wichtig. Um jedoch einen echten Unterschied zu machen, stellt feministische Außenpolitik die nachhaltige und wirkungsorientierte Umsetzung sicher. Das bedeutet, dass die Politik institutionell verankert ist und über entsprechende personelle sowie finanzielle Ressourcen verfügt.

Eine feministische Außenpolitik begreift die Beendigung von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt als eine gesamtpolitische Aufgabe. Alle Maßnahmen, die innerhalb der verschiedenen Politikfelder – etwa in der Handels-, Entwicklungs-, Verteidigungs- oder Innenpolitik – entwickelt und umgesetzt werden, sind aufeinander abgestimmt. Politische Maßnahmen zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen im Ausland werden beispielsweise durch asylpolitische Bestimmungen im Inland verstärkt, indem geflüchtete Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, Unterstützung erhalten.

Eine Frau mit blonden, halblangen Haaren steht am Renderpult. Im Hintegrund hängt die Fahne der Europäischen Union.

Es ist klar, dass das internationale System bei seiner Kernaufgabe, Frieden und Sicherheit für alle zu gewährleisten, versagt hat. Und die Welt muss ihren Ansatz ändern. Die Beibehaltung des Status quo ist keine Option. Um den Status quo zu durchbrechen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen, brauchen wir die Gleichstellung der Geschlechter.

Margot Wallström während des Symposiums der Lund-Universität „Towards a peaceful global order and gender justice in diplomacy“ (2017). Wallström war unter anderem stellvertretende Premierministerin und Außenministerin von Schweden (2014-2019).

Welche Regierungen verfolgen eine feministische Außenpolitik?

Schweden war das erste Land, das sich unter der damaligen Außenministerin Margot Wallström 2014 zu einer feministischen Außenpolitik bekannte. Mittlerweile sind Regierungen weltweit dem Beispiel gefolgt, auch wenn Schweden das Konzept der feministischen Außenpolitik seit Oktober 2022 nicht mehr spezifisch verfolgt.

Die Ausgestaltung unterscheidet sich von Land zu Land. Welche Länder sich zu einer feministischen Außenpolitik bekennen und welche Schwerpunkte sie dabei setzen, erfahren Sie hier:

2014

Schweden führte als erstes Land eine feministische Außenpolitik ein. Deren Prinzipien sollten in den Politikbereichen Diplomatie, Handel, Entwicklungshilfe und Sicherheit angewandt werden. 2019 veröffentlichte die Regierung ein Handbuch. Drei Jahre später, im Oktober 2022, beendet Außenminister Tobias Billström den bisher umfangreichsten feministischen Außenpolitikansatz. Der Begriff „feministische Außenpolitik“ wird von der schwedischen Regierung nicht länger verwendet.

2017

Kanada beschließt, eine Feminist International Assistance Policy (zu Deutsch: Feministische Internationale Hilfspolitik). Schwerpunktbereiche der kanadischen Außenpolitik sind wirtschaftliches Empowerment und der Bereich Frieden und Sicherheit.

2018

2018 folgt Frankreich. Paris nennt die Neuausrichtung des außenpolitischen Handelns „feministische Diplomatie“ (Diplomatie féministe) und setzt entsprechend auf diplomatische Verhandlungen und Entwicklungszusammenarbeit. In ihrem Koalitionsvertrag kündigt die Regierung von Luxemburg an, eine feministische Außenpolitik betreiben zu wollen.

2020

Mexiko führt eine feministische Außenpolitik ein. Das lateinamerikanische Land will damit „strukturelle Unterschiede, geschlechtsspezifische Diskrepanzen und Ungleichheiten“ verringern und beseitigen.

2021

Spanien und Libyen beschließen, eine feministische Außenpolitik umzusetzen und in Deutschland bekennen sich SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen nach der Bundestagswahl im Koalitionsvertrag zu einer „feminist foreign policy“.

2022

Chile führt eine „Política Exterior Feminista“ ein, ebenso Kolumbien. Die Regierungen der Niederlande und Liberias kündigen an, ihre Außenpolitik künftig feministisch ausrichten zu wollen.

2023

Im Januar bekennen sich Slowenien und Argentinien (unter der damaligen Mitte-Links-Regierung) zu einer feministischen Außenpolitik. Wenige Monate später kündigt die Mongolei an, künftig feministische und geschlechtertransformative Ansätze im Multilateralismus und in der Außenpolitik fördern zu wollen. Auch Schottland schließt sich der Gruppe der Länder an, die sich zu einer feministischen Außenpolitik verpflichtet haben.

In Deutschland stellt Außenministerin Annalena Baerbock die Leitlinien zur feministischen Außenpolitik vor. Darin benennt die Regierung die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten als eines der zentralen Ziele außenpolitischen Handelns. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an: Damit dieser neue Ansatz in der deutschen Außenpolitik tatsächlich als Verbesserung im Leben von Frauen in Kriegs- und Krisengebieten wahrgenommen wird, müssen die Leitlinien gelebte politische Praxis werden.

Stand 02/2024

Feministische Außenpolitik in Deutschland

Im Koalitionsvertrag, den SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen 2021 unterzeichneten, bekräftigten die Regierungsparteien ihr Bekenntnis zu einer „Feminist Foreign Policy“. Im März 2023 legte Außenministerin Annalena Baerbock die Leitlinien zu einer feministischen Außenpolitik vor.

Darin heißt es: "Feministische Außenpolitik gründet auf der Überzeugung, dass alle Menschen die gleichen Rechte genießen und die gleichen Freiheiten und Möglichkeiten verdienen. Das ist eine fundamentale Frage der Gerechtigkeit. Feministische Außenpolitik fußt auch auf der Erkenntnis, dass Gesellschaften friedlicher und wohlhabender sind, wenn alle Menschen am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können."

Nahaufnahme von Monika Hauser

Eine feministische Außenpolitik ist eine selbstkritische Politik! Die Bundesregierung sollte in diesem Sinne ihr eigenes Handeln regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Dazu gehört auch die Frage, wie sich politische Entscheidungen auf Frauen und Mädchen sowie auf Geschlechterverhältnisse auswirken.

Monika Hauser, Gründerin medica mondiale

Die 3R+D-Formel – die deutsche „feminist foreign policy“

Als Schweden sich zu einer feministischen Außenpolitik bekannte, wurde die die sogenannte 3R-Formel formuliert, um Frauen und Mädchen zu stärken:

  • Rechte (englisch: rights): Die Bekämpfung aller Formen von Gewalt und Diskriminierung, die die Handlungsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen einschränken.
  • Repräsentation (englisch: representation): Die Förderung der Beteiligung und Einflussnahme von Frauen an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen.
  • Ressourcen (englisch: ressources): Die Bereitstellung finanzieller Mittel, um Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit zu fördern.

Deutschland ergänzte die 3R-Formel um „Diversität“. Mit 3R+D will Außenministerin Annalena Baerbock den Fokus nicht nur auf Frauen und Mädchen legen, sondern auch die Perspektiven und Bedarfe weiterer ausgegrenzter, diskriminierter Gruppen in den Blick nehmen.

Unsere Forderungen an die deutsche Bundesregierung

Mit ihrer Außenpolitik muss die Bundesregierung

  1. darauf hinarbeiten, auf allen Ebenen diskriminierende Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu überwinden und Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen.
  2. die Bekämpfung von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt zu einer Priorität machen. In diesem Zusammenhang sollte sie Maßnahmen fördern, die Überlebende langfristig, ganzheitlich und traumasensibel unterstützen. Dabei muss sowohl die Gewalt als auch die traumatischen Folgen als gesamtgesellschaftliche Verantwortung anerkennen.
  3. Frauenrechtsaktivist:innen und Frauenrechtsorganisationen politisch stärken, finanziell fördern und diplomatisch schützen.

Mehr zu den Erwartungen an die Umsetzung der Leitlinien, lesen Sie in der Analyse unserer Referentin für Politik & Menschenrechte, Jeannette Böhme, oder in unserem gemeinsam mit weiteren Organisationen erarbeiteten Positionspapier "Die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik des Auswärtigen Amts - Ein Statement aus feministischer Perspektive".

Völkerrechtliche Grundlagen feministischer Außenpolitik

Feministische Außenpolitik bezieht sich auf die Menschenrechts- und Frauenrechtsabkommen der Vereinten Nationen und auf regionale Abkommen, die diese weiterentwickeln: