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Trauma und Traumabewältigung: Umgang mit den Folgen von Gewalt

Ein durch sexualisierte Gewalt ausgelöstes Trauma ist mehr als nur eine psychische oder körperliche Verletzung. Wie ist eine Restabilisierung möglich?

Eine Gruppe von Frauen steht im Kreis, sie halten ihre geballten Fäuste in der Mitte zusammen.

Ein durch sexualisierte Gewalt ausgelöstes Trauma ist mehr als nur eine psychische oder körperliche Verletzung. Insbesondere die sozialen Folgen sind tiefgreifend. Es muss ihnen auf gesellschaftlicher Ebene durch die solidarische Anerkennung des Leids der Betroffenen und die Strafverfolgung der Täter begegnet werden.

Es ist möglich, sich nach traumatischen Gewalterfahrungen zu stabilisieren, und Sicherheit und Vertrauen in Beziehung zu anderen Menschen zurückzugewinnen. Das zeigt die Arbeit von medica mondiale und ihren Partnerorganisationen vor Ort. Gleichzeitig richtet medica mondiale den Blick auf die hinter den Traumafolgen stehende Gewalterfahrungen, um einer Pathologisierung der betroffenen Personen entgegenzuwirken. Was braucht es, damit das gelingen kann?

Häufige Fragen: FAQ zu Trauma

Trauma ist ein derzeit vielbewegtes Thema, das zunehmend Aufmerksamkeit erlangt, auch in der internationalen Zusammenarbeit. Im Folgenden werden einige zentrale Begriffe aus der Perspektive von medica mondiale erläutert, die relevant sind im Zusammenhang mit der Projektarbeit zu sexualisierter Gewalt und Trauma.

Was ist ein psychisches Trauma?

Ein psychisches Trauma ist „eine seelische Wunde, die durch eine oder mehrere Verletzungen des Körpers, der Integrität und der Würde entsteht. Trauma ist nicht nur ein Gewaltgeschehen (…), sondern entsteht als Prozess im Gesamtumfeld, meistens im sozialen Nahraum. Traumatisierung ist das Ergebnis von Gewalt, körperlich oder psychisch erlebt, subtil oder grob, einmalig oder mehrmalig.“ (Zitat-Quelle: Dileta Sequeira, ARIC, Erkennen lernen, 2019, S.40)

Was ist Stress?

Stress ist Teil unseres alltäglichen Erlebens, in dem unser Körper alles dafür tut, schnell und einsatzbereit zu sein. Dies macht sich durch körperliche Reaktionen wie zum Beispiel die Ausschüttung von Stresshormonen, Herzrasen, beschleunigte Atmung oder einer Anspannung des Muskeltonus bemerkbar. Ist die belastende Situation beendet, klingt die Stressreaktion in der Regel ab. Wir können in einen normalen Anspannungszustand zurückkehren.

Was ist der Unterschied zwischen Stress und Trauma?

Während beim Stress die physiologische Stressreaktion in der Regel wieder abklingt auf einen normalen Anspannungszustand, ist bei einer traumatischen Situation das Stressreaktionssystem überfordert und die Erfahrung nicht mehr subjektiv bewältigbar. Die Erfahrung kann nicht weiterverarbeitet werden. Es kommt zu einem traumatischen Prozess, der zu einer Traumafolgereaktion führen kann.

Wodurch kann ein Trauma ausgelöst werden?

Wenn ein Mensch Ereignisse durchlebt oder mit ansieht, die existentielle Bedrohung auslösen, und keine Flucht, keine Gegenwehr und keine Hilfe möglich sind, schaltet der Körper in eine Art Notfallmodus um, um das Überleben zu sichern. Die normalen Prozesse der Erfahrungsverarbeitung greifen aufgrund des (Überlebens-)Stresses nicht mehr. So kann es zu einer tiefen seelischen Erschütterung und zu einem dauerhaft erhöhten Stressempfinden kommen.

Welche Faktoren verstärken eine Traumatisierung?

Es gibt zahlreiche Faktoren, die eine Traumatisierung verstärken können. Beispiele hierfür sind frühere Trauma- und Gewalterfahrungen, psychische Vorerkrankungen oder das Ausmaß der Gewalt. Leben in andauernder Unsicherheit, erneute Übergriffe oder Demütigungen sowie Schuld- und Schamgefühle können die Wirkung traumatischer Erfahrungen verstärken. Zudem spielt das soziale Umfeld eine große Rolle, je nachdem, ob es mitfühlend, beschämend oder anklagend reagiert.

Was sind Trauma-Symptome?

Trauma-Symptome sind Reste des nicht verarbeiteten traumatischen Erlebens. Unverarbeitetes drängt sich aufdringlich ins Bewusstsein und löst damit emotionale Erinnerungen oder Albträume aus. Gedanken, Aktivitäten, Menschen und Situationen, die an die Ereignisse erinnern, werden vermieden. Schreckhaftigkeit, Angst, Schwierigkeiten bei der Regulierung von Gefühlszuständen, (sozialer) Rückzug, Schmerzen, Gedächtnislücken sowie ein negatives Selbst- und Weltbild sind weitere Symptome.

Woran kann man ein Trauma bei einer Person erkennen?

Ein psychisches Trauma zeigt sich unterschiedlich:

  • Der Körper ist stets wachsam (Hyperarousal). Dies ist erkennbar an Schlafproblemen, gesteigerter Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten.
  • Die Überlebende hat schmerzhafte Erinnerungen (Intrusionen), die sich in Form von Albträumen und ständigem Nachdenken aufdrängen. Vermeidung von Gedanken, Aktivitäten, Menschen und Situationen, die an die Ereignisse erinnern.
  • Emotionale Taubheit oder Erstarrung: Die betroffene Person zieht sich zurück und sieht keine Perspektiven.

Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Nach der aktuellen klinischen Definition der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation (ICD-11 von 2019) ist die PTBS gekennzeichnet durch Intrusionen (Wiedererleben der traumatischen Erfahrung nach einem Schlüsselreiz oder Alpträume), Vermeidung (von Gedanken und Erinnerungen, Menschen, Aktivitäten und Situationen) und Hyperarousal (Übererregung).

Was ist eine Komplextraumatisierung (kPTBS)?

Die WHO-Klassifikation ICD-11 hat erstmals die Komplextraumatisierung als Folge von wiederholter und lang andauernder zwischenmenschlicher Gewalt in den Diagnosekatalog aufgenommen. Danach werden über die obigen Symptome der PTBS hinaus noch Affektregulationsstörungen, negative Selbstwahrnehmung (tiefsitzende Gefühle von Schuld, Scham und Versagen) und Beziehungsstörungen (Schwierigkeit, nahe Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten) aufgeführt.

Ist ein Trauma eine Krankheit?

Ein psychisches Trauma ist eine normale Reaktion auf unnormale, lebensbedrohliche und gewaltvolle Ereignisse. Beispiele sind sexualisierte oder rassistische Gewalt, die subjektiv erlebt, bewertet und verarbeitet werden. Diese Reaktionen können jedoch zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen, wenn sie lange andauern. Daher sind Traumafolgereaktionen als medizinische Diagnose definiert, damit entsprechende Hilfen in Anspruch genommen werden können.

Was ist Resilienz?

In der Psychologie wird Resilienz als die Fähigkeit verstanden, mit herausfordernden Erfahrungen wie Notlagen anpassend und integrierend umgehen zu können. Die Stärken des Begriffs liegen in der Betonung der Fähigkeiten, Ressourcen und Kreativität der Menschen. Das Potential persönlicher Ressourcen ist nicht nur individuell bedingt, sondern abhängig davon, welche Erfahrungen die Person im sozialen Umfeld und der Gesellschaft macht. 

Was ist Retraumatisierung?

Retraumatisierung ist das Erleben eines weiteren traumatisierenden Ereignisses oder Situationen, die die Überlebenden mit dem ursprünglichen traumatisierenden Erlebnis verbinden – wie zum Beispiel eine gynäkologische Untersuchung. Dies kann zu einer signifikanten Verschlimmerung der posttraumatischen Belastungsreaktionen führen.

Was kann Retraumatisierung verhindern?

Wenn Helfende sich durch Fortbildungen der Traumadynamik bewusstwerden, die einer Retraumatisierung zugrunde liegt, können sie vorbeugende Maßnahmen ergreifen. So ist es zum Beispiel wichtig, bei einer medizinischen Behandlung in Kontakt mit der Klient:in zu bleiben, Anzeichen für eine mögliche Retraumatisierung zu erkennen – wie beispielsweise schnellere Atmung, erhöhte Muskelanspannung – und dann entsprechend handeln zu können.

Was ist eine sekundäre Traumatisierung?

Wenn beispielsweise Berater:innen Schilderungen traumatischer Erfahrungen empathisch und mitfühlend zuhören oder Erfahrungsberichte lesen und sich mit Menschen verbinden, die den Schmerz eines Traumas erleiden, können sie auf ähnliche Weise davon beeinflusst werden wie diejenigen, die direkt von der Gewalt betroffen sind. Das kann zum Beispiel bedeuten, unter Albträumen zu leiden oder anhaltend unter hoher Anspannung zu stehen (Hyperarousal).

Gibt es kollektives Trauma?

Kollektive Gewalterfahrungen von Gruppen oder ganzen Gesellschaften – beispielsweise durch Genozid, Holocaust, Kolonisierung – können zu kollektivem Trauma führen. Das ist dann der Fall, wenn die Gewalterfahrungen nicht anerkannt und bearbeitet werden und als Marginalisierung weiterwirken (Rassismus). Die Traumafolgereaktionen können kollektiv erlebt und transgenerational weitergegeben werden.

Was bedeutet Trigger oder triggern?

Trigger können emotionale, körperliche, sensorische oder auditive Reize sein. Trigger sind Hinweisreize, die plötzlich Stress auslösen und in Zusammenhang mit einem belastenden Ereignis stehen, wie zum Beispiel der Geruch von Feuer. Daher rufen sie in der Folge Erinnerungen an dieses belastende und außergewöhnliche Ereignis hervor. Die Person erlebt die gleichen Gefühle der Ohnmacht und Hilflosigkeit, Entsetzen, Angst und Kontrollverlust wie in der traumatischen Erfahrung, die in der Vergangenheit liegt.

Was ist eine Dissoziation?

Dissoziation meint im Wortsinn auseinandernehmen, nicht verbinden, sich von etwas distanzieren. Dissoziation beschreibt in Bezug auf ein traumatisches Erlebnis, einen Mechanismus „der uns erlaubt, im Falle von Bedrohung und Überforderung das verstandsmäßige und vernünftige Denken abzuschalten, um Lebens- und damit arterhaltende Aktivitäten einzuleiten.“ Zitat-Quelle: Hantke/Görges 2012: Handbuch Traumakompetenz. Basiswissen für Therapie, Beratung und Pädagogik, S. 75 f.

Verursacht sexualisierte Gewalt ein Trauma?

Im amerikanischen Manual der psychiatrischen Krankheiten (DSM-5) wird seit 2013 sexualisierte Gewalt explizit als mögliche traumatische Erfahrung benannt. Internationale Studien zeigen, dass mehr als 50 Prozent der betroffenen Personen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln. Dies kann dadurch erklärt werden, dass Betroffene sich in einer Ausnahmesituation befinden, die sie als bedrohlich und beschämend empfinden und deren Verarbeitung durch gesellschaftliches Tabu, Stigmatisierung und Schuldzuweisung erschwert ist.

Was zeichnet sexualisierte Gewalt als Trauma-Ursache aus?

Sexualisierte Gewalt ist eine besonders häufige Ursache für posttraumatische Belastungen, da das intimste Selbst einer Person betroffen ist. Es ist eine invasive Form der Gewalt, die die Unversehrtheit verletzt und zudem tabuisiert ist. Betroffene Personen werden stigmatisiert und ihr Leid nicht anerkannt. Sexualisierte Gewalt ist häufig Ausdruck eines emotionalen und wirtschaftlichen Machtungleichverhältnisses. Dies kann die Verarbeitung zusätzlich erschweren.

Was zeichnet sexualisierte Kriegsgewalt als Trauma-Ursache aus?

Bei sexualisierter Kriegsgewalt wird sexualisierte Gewalt als kollektive Waffe eingesetzt, um Familien und Gemeinschaften sowie das gesamte soziale Gefüge zu zerstören. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass in einer Phase der Eskalation von Konflikten sexualisierte Gewalt zunimmt. Im Kriegsgeschehen geht es um die Erniedrigung und Beschämung der gegnerischen Gruppe, eine Degradierung der betroffenen Personen und ein effektives Mittel zur Vertreibung.

Gewalt gegen Frauen hat Folgen für die gesamte Gesellschaft. Zum Beispiel in Form von transgenerationalem Trauma.

Welches Trauma-Verständnis hat medica mondiale?

medica mondiale hat ein feministisches und soziopolitisches Trauma-Verständnis. Das bedeutet, dass nicht nur das Trauma der einzelnen Personen in den Blick genommen wird. Wir thematisieren immer auch Gewalt als Ursache von Traumatisierung und die sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen für die Verarbeitung mit. Posttraumatische Belastungsreaktionen bewerten wir als Überlebens- und Verteidigungsstrategien angesichts von Gewalt, Bedrohung und Unterdrückung.

Portraitfoto von Karin Griese, Bereichsleitung Trauma-Arbeit. Karin Griese trägt einen bunt gemusterten Schal.

„Man kann die Traumafolgen von Gewalterfahrungen nicht nur auf Symptomebene behandeln.“

Karin Griese, Leiterin Trauma-Arbeit von medica mondiale

FAQ zum Umgang mit Traumafolgen

Traumatische Reaktionen von Überlebenden sind eine normale Folge auf unerträgliche und abnormale Erfahrungen, die dysfunktionale Traumafolgereaktionen auslösen können. Aus der Perspektive von medica mondiale und der Projektarbeit wird ein beziehungsorientierter und zugleich politischer Ansatz zum Umgang mit Traumafolgen als wirksam erlebt. Vielfältige Fragen rund um diesen Ansatz und zum Umgang mit Traumafolgen werden im Folgenden beantwortet.

In der therapeutischen Arbeit werden drei Phasen unterschieden: Stabilisierung, Traumabearbeitung und Integration. In der abschließenden Integrationsphase geht es um die Integration des Erlebten auf körperlicher, psychologischer und sozialer Ebene. Als bewältigt oder integriert gilt ein Trauma unter anderem, wenn die betroffene Person die Ereignisse als eine zusammenhängende und vollständige Geschichte erzählen kann, ohne dass die damit verbundenen Gefühle abgespalten sind oder sie überfluten.

Die Traumaverarbeitung gliedert sich in Phasen auf, die allerdings nur einer groben Orientierung dienen:

  1. Stabilisierung: Die Überlebenden nehmen wahr, wenn ihre Anspannung steigt, und lernen sich selbst zu erden und zu beruhigen.
  2. Traumabearbeitung (Exposition/Konfrontation): Für diese zweite Phase ist die Stabilität der Überlebenden Voraussetzung sowie ein sicherer Rahmen und eine gute Begleitung.
  3. Integration: Das Erlebte wird in das biografische Gedächtnis integriert.

In den internationalen Standards für psychosoziale Unterstützung und psychische Gesundheit des Inter-Agency-Committee (IASC) spiegeln sich indirekt zwei unterschiedliche Ansätze wider: Ein „medizinisch-psychiatrischer“ fokussiert sich auf die Behandlung posttraumatischer Symptome durch Konfrontation mit dem Erlebten im therapeutischen Setting. Ein beziehungsorientierter und politischer Ansatz wertet und benennt die traumatischen Reaktionen von Überlebenden als normale Folge unerträglicher Erfahrungen und Menschenrechtsverletzungen. Die üblichen posttraumatischen Symptome werden weiter gefasst und die Gesamtwirklichkeit von Gewalt betroffenen Menschen anerkannt.

Traumatherapie basiert in der Regel auf den drei Phasen der Traumaverarbeitung. Es ist ein in der westlichen Forschung verbreitetes medizinisch-psychiatrisches Konzept, das sich auf die Behandlung posttraumatischer Symptome, in der Regel durch die Konfrontation mit dem Erlebten fokussiert. Dabei werden die Wirkfaktoren der Psychotherapieforschung (hier nach Klaus Grawe, 2004) beachtet:

  1. therapeutische Beziehung
  2. Ressourcenaktivierung
  3. Problemaktualisierung
  4. Motivationsklärung und
  5. Problemlösung.

Was ist psychosoziale Beratung?

Psychosoziale Beratung umfasst Maßnahmen, Aktionen und Prozesse im Rahmen der Beratung, die ganzheitliches Wohlbefinden von Menschen in ihrem sozialen Umfeld fördern und sie dabei unterstützen, mit alltäglichen Herausforderungen und damit verbundenen sozialen Konflikten und Stressoren umzugehen. Dabei knüpft sie stets an die vorhandenen Ressourcen von Betroffenen an und bezieht sich auf die individuelle sowie kollektive Ebene.

Grundsätzlich ist das Wiedererlangen von Sicherheit, soziale Anbindung und eine Aufklärung zu den möglichen Folgen von traumatischen Erfahrungen hilfreich. medica mondiale bezieht beim Umgang mit Traumafolgen die Gesamtwirklichkeit der von Gewalt betroffenen Menschen ein. Dazu gehören die sozialen und ökonomischen Brüchigkeiten sowie die psychischen und körperbezogenen Probleme. Die Prinzipien des STA - stress- und traumasensibler Ansatzes® stabilisieren und stärken Überlebende und schützen vor Retraumatisierung.

medica mondiale hat ein soziopolitisches Verständnis von Trauma. Daher werden beim Umgang mit Traumafolgen immer die politischen und sozialen Ursachen mit in den Blick genommen. Damit wird zum einen einer Pathologisierung der Betroffenen und zum anderen einer Individualisierung des Erlebten entgegengewirkt. Wenn nicht nur die Traumafolgereaktionen, sondern auch die dahinterstehende erlebte Gewalt anerkannt werden, kann das Erlebte bewältigt werden.

Das Konzept stammt von Richard G. Tedeschi und Lawrence G. Calhoun, die davon ausgehen, dass unter bestimmten Bedingungen nicht trotz traumatischer Erfahrungen, sondern wegen ihnen persönliches Wachstum erfolgen kann. Dabei spielt unter anderem das Bewusstwerden der eigenen Stärken und auch die Wertschätzung des Lebens eine Rolle.

„Freundlich zu sich selbst zu sein und die Freiheit zu haben, Spaß und Freude zu haben, ist in diesem Bereich keine Leichtsinnigkeit, sondern eine Notwendigkeit, ohne die man seine beruflichen Pflichten, seinen beruflichen Auftrag nicht erfüllen kann.“

so Traumatologin Yael Danieli.

Selbstfürsorge bedeutet, der eigenen körperlichen, psychischen und sozialen Gesundheit und dem eigenen Wohlbefinden angemessene Aufmerksamkeit zu schenken und entsprechend zu handeln.   Selbstfürsorgepraktiken können physische, psychologische, emotionale und spirituelle Formen annehmen.

Was ist der STA – stress- und traumasensibler Ansatz®?

Der STA – stress- und traumasensibler Ansatz® zielt darauf ab, dass Überlebende von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt eine auf Sicherheit, Stärkung sowie auf Solidarität und Verbindung basierende kompetente Unterstützung erfahren. Er ist anwendbar auf Beratungsangebote, in ihrem sozialen Umfeld, bei Dienstleister:innen und in Institutionen. Dies trägt dazu bei, dass sie sich wieder stabilisieren und unterstützt damit die Bewältigung.

Unsere Trauma-Arbeit für Betroffene sexualisierter Gewalt

Seit mehr als 25 Jahren unterstützt medica mondiale Frauen und Mädchen in Kriegs- und Konfliktgebieten, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Einer unserer wichtigsten Ansätze, wie wir das tun, ist die Förderung der Verarbeitung der durch die Gewalt verursachten spezifischen Traumata auf individueller und kollektiver Ebene.

Beispiel: gemeindeorientierte Sensibilisierung und Fortbildung

Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen wirken wir beispielsweise in Irak-Kurdistan durch gemeindeorientierte Sensibilisierung und die Fortbildung von Polizei, Justiz- und Gesundheitspersonal darauf hin, Überlebenden ein Umfeld zu schaffen, in dem sie Sicherheit und Solidarität erfahren.

Beispiel: Beratungsgruppen und Einzelberatung

Unsere Partnerorganisation Medica Afghanistan bot bis zur Machtübernahme der Taliban 2021 in den Gemeinden psychosoziale Beratungsgruppen an, in denen Frauen sich austauschen und Methoden zum Abbau von Stress- und Anspannung sowie zum Umgang mit Traumafolgen kennenlernten. Dies wurde ergänzt durch individuelle Beratungsangebote. Einige der Teilnehmenden leiteten daraufhin selbst sogenannte Peergruppen in anderen Gemeinden an, in denen sie über die Rechte von Frauen informierten und Zugang zu weiterführenden Unterstützungsangeboten vermittelten.

Beispiel: einkommensschaffende Maßnahmen und Familienberatung

In Uganda, Liberia und im Kosovo kombinieren unsere Partnerorganisationen einkommensschaffende Maßnahmen wie Spargruppen oder die Arbeit einer von medica mondiale gegründeten landwirtschaftlichen Frauenkooperative mit niedrigschwelligen Ansätzen zu psychosozialer Stärkung. Das bedeutet zum Beispiel, die persönliche Verbindung und das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Gruppen gezielt zu stärken. In Ruanda und im Kosovo werden Familienangehörige wie zum Beispiel Ehemänner und Kinder in die Beratung einbezogen, um auch auf die systemischen Auswirkungen von Trauma und Gewalt einzugehen die Verarbeitung von Gewaltfolgen im Familiensystem zu unterstützen.

Trauma-Arbeit: Grundsätzlich auf mehreren Ebenen ansetzen

Gleichwohl sind in vielen Konfliktgebieten jene wesentlichen Voraussetzungen, die für die Bewältigung der Folgen von Gewalt sowie für die Beseitigung ihrer Ursachen wichtig sind, nicht gegeben. Damit von Gewalt betroffene Frauen adäquate Unterstützung erhalten, hat medica mondiale deshalb gemeinsam mit Partnerorganisationen ein Mehrebenen-Modell entwickelt, das direkte Beratung und Begleitung mit dem Einwirken auf soziale, politische und gesellschaftliche Strukturen verbindet. Auf diese Weise sollen Veränderungen in Richtung eines unterstützenden Umfeldes auch langfristig wirken können. Die spezielle Expertise von medica mondiale liegt dabei in der Förderung einer solidarischen, stress- und traumasensiblen Haltung, durch die alle beteiligten Akteur:innen und Organisationen unterstützt werden und Sicherheit erfahren.