„There is no such thing as a single-issue struggle
because we do not live single-issue lives.“
medica mondiale engagiert sich als Teil einer transnationalen vielfältigen Frauenbewegung in Netzwerken und gemeinsam mit Partnerorganisationen für die Beendigung von sexualisierter Gewalt und für eine geschlechtergerechte Gesellschaft.
Ausgangspunkt unserer Arbeit war und ist die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten. Seit Erlass der UN-Resolution 1820 ist sexualisierte Kriegsgewalt international als schwere Menschenrechtsverletzung anerkannt. Wir sehen diese Gewalt als Kontinuum und Zuspitzung von struktureller Gewalt gegen Frauen, die auch in Friedenszeiten pandemische Ausmaße annimmt.
Die Gründe von Gewalt gegen Frauen liegen in patriarchalen Gesellschaftsstrukturen. Diese fördern ein massives Machtungleichgewicht zwischen Geschlechtern durch geschlechterspezifische Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen und Mädchen im öffentlichen und privaten Raum.
Grundlegend für unser feministisches Selbstverständnis ist ein intersektionaler Feminismus. Dieser erkennt an, dass verschiedene Formen von Diskriminierung zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken.
Grundsätzlich steigt das Risiko, sexualisierte Gewalt zu erfahren für Menschen, die von mehreren Formen von Unterdrückung betroffen sind, wie zum Beispiel für Personen, die sich als LGBTIQ identifizieren, Frauen mit Behinderungen oder sozial benachteiligte Frauen. In kriegerischen Auseinandersetzungen überlagern sich etwa rassistische und sexistische Motive, verstärken sich gegenseitig und werden auch als strategisches Kriegsmittel instrumentalisiert.
Sprache und Bilder sind nicht einfach ein Abbild der Wirklichkeit. Mit dem, was wir sagen, schreiben und zeigen, drücken wir aus, wie wir die Welt wahrnehmen, welche Aspekte und Realitäten wir anerkennen und welche wir bewusst hervorheben. Wir sind uns dieser Wirkmacht von Sprache und Bildern bewusst und haben den Anspruch, Wort und Bild diskriminierungs- und traumasensibel, inklusiv und stärkend zu gestalten.
Ein Beispiel dafür ist die geschlechtergerechte Sprache. Wir sind uns bewusst, dass es viele Identitätsentwürfe gibt, die jenseits vom starren Geschlechtermodell Mann-Frau existieren. Das drücken wir unter anderem damit aus, dass wir mit Doppelpunkt gendern: „alle Aktivist:innen“. Der Doppelpunkt markiert Raum für Menschen, die sich nicht in ein binäres Geschlechtsmodell einordnen möchten. In der gesprochenen Sprache wird der Doppelpunkt mit einer kleinen Pause kommuniziert.
Weitere Beispiele sind die Begriffe, die wir verwenden. In Bezug auf gewaltbetroffene Frauen sprechen wir bewusst von „Überlebenden“ und nicht von „Opfern“ von Gewalt. Damit zeigen wir auch in unserer Sprache, dass wir gewaltbetroffene Frauen nicht auf ihre Gewalterfahrungen reduzieren. Der Begriff „Überlebende“ zeugt von der Stärke, die sie tagtäglich zeigen, um ihr Leben trotz der Gewalterfahrung aktiv zu gestalten.
Auch auf Fotos zeigen wir die aktive Rolle von Frauen. Wir vermeiden koloniale Bildtraditionen, in denen Frauen und Mädchen auf ihre Rolle als passive Hilfsempfänger:innen reduziert werden. Wir zeigen Menschen grundsätzlich nicht in Notsituationen oder hoch emotionalen Situationen.
Sprache und Bildwelten orientieren sich an der Gesellschaft und ihren Normen, und sie alle sind in Bewegung. Wir verstehen uns als lernende Organisation, die sich auch in ihrer Außenkommunikation reflektiert und weiterentwickelt.
Als international tägige feministische Frauenrechtsorganisation aus dem globalen Norden, die Partnerorganisationen in (Post-)Konfliktregionen in einem postkolonialen Kontext fördert, bewegen wir uns in verschiedenen Spannungsfeldern. Diese erfordern eine kontinuierliche, kritische Auseinandersetzung mit dem dadurch bestehenden Machtgefälle und entsprechende organisationale Selbstreflexion und Weiterentwicklung.
Wir erkennen an, dass unsere feministisch-politische Position durch unsere privilegierte sozio-ökonomische Realität und unser überwiegendes Weißsein geprägt ist und es (auch) unter Frauen ein Machtgefälle und Dominanzstrukturen gibt, die es zu reflektieren und zu verändern gilt. Das betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partner:innen als auch die Strukturen und Zusammenarbeit innerhalb der Organisation medica mondiale.
Für uns ist es daher essentiell, als Teil von weltweiten, emanzipatorischen Bewegungen auf positive gesellschaftliche Transformationen für alle Frauen – mit unseren unterschiedlichen Positioniertheiten – hinzuwirken. Wir stärken die Selbstermächtigung der Partner:innen.
Dazu gehört unter anderem das Schaffen von Reflexionsräumen, das Lernen von und miteinander sowie Vernetzung. Das Fördern von Strategie- und Organisationsentwicklungsprozessen und die Diversifizierung von Fördermitteln bei unseren Partner:innen sollen eine größere Unabhängigkeit von medica mondiale als Förderorganisation sicherstellen.
Außerdem sind wir gefordert, uns als feministische Organisation kritisch mit unseren Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräumen im Rahmen der deutschen Internationalen Zusammenarbeit und Humanitären Hilfe auseinanderzusetzen, aus deren Geldtöpfen ein Teil unserer Arbeit gefördert wird.
Hier erfolgt häufig gerade nicht das nach unserem Verständnis wichtige solidarische Umverteilen von Geldern als einem Beitrag zu Globaler Gerechtigkeit. Wirtschaftliche und politische Eigeninteressen Deutschlands spielen eine maßgebliche Rolle in der Förderpolitik. Dies kann unter anderem zur Instrumentalisierung des Engagements für Frauenrechte führen und destabilisierende Folgen haben, bedient eine neoliberale Agenda und hält neokoloniale Strukturen aufrecht.