Wir unterstützen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten.
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Afrikanische Große Seen

In Ost- und Zentralafrika – in DR Kongo, Ruanda, Burundi und Uganda – unterstützen wir Frauen und Mädchen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind.

Mitarbeiterin der Partnerorganisation MEMPROW mit drei jungen Müttern auf einem gemeinschaftlich bearbeiteten Gemüsefeld.

Die Region der Afrikanischen Großen Seen umfasst Ruanda, Burundi, Uganda und die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo). Das sind Länder, die in ihrer Vergangenheit blutige Konflikte und Kriege erlebt haben und sie zum Teil heute noch erleben. Die Ursachen der teilweise grenzüberschreitenden Konflikte reichen bis in die Kolonialzeit. Es geht vor allem um Land und Bodenschätze. Das globale Geschäft mit Coltan, Gold und Kobalt befördert eine florierende Kriegsökonomie, an der sich Politiker:innen und Militärs bereichern.

Unzählige Rebellengruppen und Milizen lassen die Gewalt immer wieder aufflammen. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Sexualisierte Gewalt wird vor den Augen der UN-Friedenstruppen und der Weltöffentlichkeit vor allem in der DR Kongo als Waffe eingesetzt. Partnerorganisationen berichten von Vergewaltigungen, Sklaverei und Menschenhandel, von Zwangsehen und sexualisierter Gewalt von Partnern.

Acht Fakten über Frauenrechte in der Region der Großen Seen

1. DR Kongo: Konfliktbedingte sexualisierte Gewalt

Das Leben der Menschen in der DR Kongo ist trotz mehrerer, langjähriger Friedensinitiativen von gewalttätigen Konflikten, Flucht, Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen geprägt. 2022 führten das Erstarken der Rebellengruppe M23 und Proteste gegen die UN-Friedensmission MONUSCO zu erneuten Gewalttaten im Osten des Landes. Seit Anfang 2020 haben sich die gemeldeten Zahlen von sexualisierter Kriegsgewalt verdreifacht. Allein 2021 dokumentierte die UN-Friedensmission MONUSCO 1.016 Fälle. Über 70 Prozent dieser Übergriffe wurden von nicht-staatlichen Gruppen verübt, der Rest durch staatliche Sicherheitskräfte und Armeeangehörige. Partnerorganisationen gehen von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus, denn viele Überlebende schweigen aus Scham. Und nur die wenigsten erhalten medizinisch-psychologische oder materielle Unterstützung.

Millionen Frauen begleitet die Furcht vor Gewalt jeden Tag: Selbst bei der Feldarbeit oder beim Wasserholen drohen ihnen Überfälle und Vergewaltigungen. Mehr als fünf Millionen Menschen sind deshalb vor der Gewalt in ihren Heimatgemeinden geflohen – und sind selbst dann noch bedroht: Immer wieder kommt es auf der Flucht zu sexuellen Übergriffen. Die meisten geflüchteten Frauen haben zudem ihre Einkommensmöglichkeiten verloren. Um zu überleben, sind viele gezwungen, sich gegen Geld oder Nahrungsmittel für sich und ihre Kinder sexuell ausbeuten zu lassen. Auch von Soldaten der UN-Friedensmission.

2. Ruanda: Sexualisierte Kriegsgewalt und Trauma

Zwischen 250.000 und 500.000 Frauen und Mädchen wurden, laut UN-Angaben, in Ruanda im Zuge des Völkermords vergewaltigt. Tausende Kinder gingen aus diesen brutalen Übergriffen hervor. Die soziale Isolierung und Ächtung der Überlebenden und ihrer Kinder treffen die gesamte Familie und belasten die Gemeinde in Bezug auf Zusammenhalt sowie finanziell. Aufgrund der gesundheitlichen und traumatischen Belastungen und fehlender Einkommensmöglichkeiten leben die Frauen oft in großer Armut.

3. Uganda: Verstoßen und ausgegrenzt

Jede fünfte Uganderin zwischen 15 und 49 Jahren (22 Prozent) hat sexualisierter Gewalt erlebt. Während der Corona-Pandemie nahmen die Übergriffe insbesondere auf Minderjährige stetig zu. Die meisten Mädchen und Frauen schweigen. Zu groß ist das Stigma der Überlebenden. Und das zum Teil seit Jahrzehnten.

Historischer Hintergrund: Während der bewaffneten Konflikte in Uganda seit den frühen 1980er Jahren wurden unzählige junge Frauen und Mädchen von Rebellen verschleppt. Über Monate, manchmal Jahre wurden sie festgehalten, sexuell versklavt und immer wieder vergewaltigt. Viele der Überlebenden wurden so ungewollt zu Müttern. In den Augen ihrer Familien gelten sie als „beschmutzt“ und werden, genau wie ihre Kinder, oft sozial ausgegrenzt. Bis heute werden immer wieder Mädchen und junge Frauen von ihren Familien verstoßen, wenn sie schwanger werden, selbst wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.

4. Sexualisierte Gewalt im Alltag

Ungleiche Machtverhältnisse sind strukturell in den Gesellschaften verankert. Unterdrückung und Gewalt prägen so den Alltag vieler Frauen in der Region. Laut nationalen Gesundheitsumfragen haben in Ruanda, Burundi, der DR Kongo und Uganda zwischen 44 und 62 Prozent aller Frauen körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren.

5. Geschlechtsspezifische Gewalt: weil sie Mädchen sind

Mädchen unterliegen einem Kontinuum der Gewalt und Entmachtung. So wird in Uganda beispielsweise jede dritte junge Frau vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet. Mit 25 Prozent ist die Rate der Teenagerschwangerschaften eine der höchsten weltweit. Die Mädchen müssen meist die Schule verlassen und verlieren so ihre Chance auf Bildung. In der DR Kongo und in Burundi wird sexualisierte Gewalt in der Schule toleriert und Gewalt gegen Mädchen so normalisiert. Waisen, Straßenkinder und Angehörige ethnischer Minderheiten sind besonders gefährdet.

6. Strukturelle Gewalt und Unterdrückung

In der DR Kongo und Burundi verstärken Familiengesetze die Diskriminierung von Frauen und Mädchen. Sie gelten demnach gegenüber Männern als minderwertig und unterstehen deren Vormundschaft. Auch in Uganda scheitern Reformen wie die von 2021, die für mehr Gleichberechtigung und Schutz vor Gewalt sorgen sollen, in der alltäglichen Umsetzung oftmals an patriarchalen Werten und Widerständen. Korruption und eine schwache Justiz verhindern, dass Täter tatsächlich bestraft und Überlebende entschädigt werden. In Uganda versperren kulturell verankerte Traditionen vor allem im ländlichen Raum Frauen und Mädchen den Zugang zu proteinreicher, gesunder Nahrung.

7. Eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsversorgung

Infolge der langen Konflikte und schwachen staatlichen Strukturen ist die Gesundheitsversorgung in der Region der Großen Seen unzureichend. Vor allem auf dem Land fehlen gut ausgestattete Gesundheitseinrichtungen und medizinisches Fachpersonal. Viele Frauen und Mädchen haben daher selbst bei schweren Verletzungen nach einer Vergewaltigung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Die meisten können sich den Transport zum nächsten Krankenhaus, Medikamente oder eine Behandlung nicht leisten. Fehlende Vorsorge und riskante Schwangerschaftsabbrüche führen zudem zu einer hohen Müttersterblichkeit und Fehlgeburten.

8. Meilensteine im Kampf gegen sexualisierte Gewalt

Die regional vernetzten Frauenrechtsorganisationen haben das Thema sexualisierte Gewalt und ihre strukturellen Auswirkungen in die öffentliche Debatte gebracht. Auf ihren Druck hin haben die Staaten der Region wichtige UN-Resolutionen zu den Themen Frauen, Frieden und Sicherheit angenommen. Ein weiterer Erfolg war das 2006 von der internationalen Konferenz der Großen Seen verabschiedete Protokoll zur Verhütung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Kinder. Dies sieht neben dem Ende der Straflosigkeit auch die Rehabilitierung und Unterstützung Überlebender sowie Gewaltprävention vor.

Die Präsidenten von Burundi, Ruanda und zuletzt auch der DR Kongo (2021) lancierten die Initiative „Tolerance Zero immediate“ gegen sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen. Die Zusammenarbeit ist allerdings bis heute mangelhaft. Es fehlt an effektiver – auch länderübergreifender – Strafverfolgung, an Präventionsmaßnahmen und an adäquaten Unterstützungsstrukturen. Trotz der strukturellen Hindernisse wurden 2021 in der DR Kongo kleine Fortschritte in der Strafverfolgung erzielt: Militärgerichte verurteilten 118 Angehörige der Streitkräfte, 28 Mitglieder der nationalen Polizei und 10 Mitglieder bewaffneter Gruppen wegen sexualisierter Gewalt.

(Stand: 2022)

Zahlen und Fakten aus der Praxis

121
Im Süd-Kivu erhielten 121 Frauen Mikrokredite, um ihre wirtschaftlichen Projekte umzusetzen.
633
633 junge Frauen und Mädchen nahmen 2021 an den Solidaritätsgruppen von PAIF in der Demokratischen Republik Kongo teil.
4.000
In Burundi veranstalteten unsere Partner:innen Forumstheater zum Thema Gewalt gegen Frauen mit über 4.000 Teilnehmer:innen.
Die Region Große Seen ist seit vielen Jahren von Konflikten und Gewalt betroffen, insbesondere gegenüber Frauen und Mädchen. Wir setzen uns für ihre Rechte ein und unterstützen sie bei der Überwindung von Traumata. Wir schaffen sichere Räume und bieten ihnen medizinische, rechtliche und psychosoziale Unterstützung. Ihre Spende trägt dazu bei, dass wir unsere wichtige Arbeit fortsetzen und für noch mehr Frauen und Mädchen ein Leben in Gerechtigkeit und Würde erreichen können.

Partnerorganisationen:

  • Burundi: Association NTURENGAHO, Dushirehamwe, MUKENYEZI MENYA
  • DR Kongo: AFPDE, EPF, PAIF, RAPI, RFDP
  • Ruanda: Solidarité pour l‘Epanouissement des Veuves et des Orphelins (SEVOTA)
  • Uganda: Mentoring and Empowerment Programme for Young Women (MEMPROW)

Projektschwerpunkte:

  • Ganzheitliche Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen
  • Schulung von Angestellten lokaler Institutionen zum Schutz von Frauen vor Gewalt
  • Organisationsentwicklung und Vernetzung von Frauenrechtsorganisationen

Finanzierung (Mittelgeber):

  • Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
  • Brot für die Welt
  • Sigrid Rausing Trust
  • Fondation Smartpeace
  • Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ GmbH)
  • Medicor Foundation
  • Leopold Bachmann Stiftung
  • EU/HNTPO
  • Siftung Anne-Marie Schindler
  • Eigenmittel

Quelle: Jahresbericht 2021

Zu sehen ist das Logo der Frauenrechtsorganisation medica mondiale im Hintergrund mit arabischen Schriftzeichen darunter. Rechts davor das Gesicht einer freundlich lächelnden Frau. Es ist Rechtsberaterin Jihan Abas Mohammed.
Zu sehen ist das Logo der Frauenrechtsorganisation medica mondiale im Hintergrund mit arabischen Schriftzeichen darunter. Rechts davor das Gesicht einer freundlich lächelnden Frau. Es ist Rechtsberaterin Jihan Abas Mohammed.
Partnerorganisationen weltweit
Übersicht über alle Partnerorganisationen von medica mondiale

Arbeitsschwerpunkte

1. Ganzheitliche Unterstützung Überlebender sexualisierter Gewalt

Die Partnerorganisationen von medica mondiale sind oft die erste Anlaufstelle für Überlebende sexualisierter Gewalt. Sie bieten ganzheitliche Unterstützung an. Die Berater:innen bestärken die Überlebenden in psychosozialen Beratungssitzungen und überweisen sie bei Bedarf an Gesundheitszentren zur medizinischen Erstversorgung. Wenn nötig verweisen sie auch an oder Jurist:innen, die die Fälle weiterverfolgen und zur Anklage bringen. Einkommenschaffende Maßnahmen wie Landwirtschaftsschulungen und Kleinkredite stärken zudem die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen. Allein im Süd-Kivu erhielten 121 Frauen Mikrokredite (2021), um ihre wirtschaftlichen Projekte umzusetzen.

2. Gewaltkreisläufe durchbrechen

Gewaltkreisläufe zu durchbrechen erfordert sowohl die Ursachen als auch die Folgen von Gewalt anzugehen. Gewaltprävention ist in unseren Projekten in der Region Große Seen daher essenziell. Wir unterstützen Frauen und Mädchen darin, ihr Selbstbewusstsein und ihren sozialen Status zu stärken. So gewinnen sie Handlungsfähigkeit, um sich gegen Gewalt und patriarchale Denkweisen zu erheben. Ebenso unterstützt medica mondiale die Präventionsarbeit der Partnerorganisationen. Diese besteht aus Workshops und Schulungen im gesellschaftlichen Umfeld der Mädchen und Frauen, unter anderem mit Familien, in Schulen oder mit der Polizei.

3. Gewalt gegen Frauen jetzt beenden

In Burundi nutzten die Partnerorganisationen neue Wege zur Gewaltprävention. Eine Methode zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, Macht- und Geschlechterverhältnisse kritisch zu hinterfragen und sich mit den Ursachen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen auseinanderzusetzen. Mit diesem aus Uganda übernommenen SASA!-Ansatz (Kiswahili für „jetzt“) soll auf ungleiche Machtstrukturen aufmerksam gemacht und diese langfristig in der Gesellschaft verändert werden.

Gezielte Einbindung von Schlüsselakteur:innen in den Gemeinden

Um positive Veränderungen zu bewirken, werden Schlüsselakteur:innen wie Dorfälteste, Frauengruppen, Eltern und Lehrkräfte mobilisiert, sich in ihren Gemeinden aktiv für Gleichberechtigung und den Schutz von Frauen und Mädchen einzusetzen. Das fängt zum Beispiel schon damit an, Haushaltspflichten wie das Wasserholen gerecht zu verteilen.

4. Trainings zum stress- und traumasensiblen Ansatz (STA)

Die Arbeit mit Überlebenden von Gewalt ist für unsere Partnerorganisationen oft belastend und herausfordernd. Selbstfürsorge ist daher ein wichtiger Aspekt unserer Projekte. Regelmäßige Supervisionen und Trainings helfen den Mitarbeiter:innen, Stress vorzubeugen und besser zu verarbeiten. Seit 2021 schulen regionale Expert:innen auch Fachkräfte in Gesundheitseinrichtungen in Burundi und der DR Kongo im stress- und traumasensiblen Ansatz (STA). Damit wollen wir ein Umfeld schaffen, in dem Überlebende ganzheitliche Unterstützung erhalten und sich stabilisieren können.

„Es macht mir Mut für meine Arbeit, wenn sich die Einstellung von Gesundheitsfachkräften gegenüber Überlebenden ändert. Überlebende von Gewalt benötigen Wertschätzung und Unterstützung, um sich ihrem Trauma stellen zu können.“

Trainerin für Gesundheitsfachkräfte

5. Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit für Frauenrechte

Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit sind für unsere Partnerorganisationen wichtige Mittel, um die Rechte und den Schutz von Frauen und Mädchen durchzusetzen. Im Ostkongo etwa schulen sie Behörden, Gemeinden und Führungskräfte darin, Maßnahmen zur Prävention und zum Schutz vor sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt umzusetzen. Mit einer Lobbykampagne kämpfen sie auf struktureller Ebene gegen Korruption und illegale Gerichtskosten. In Uganda fordert MEMPROW die Regierung auf, die Mittel für Programme zur Förderung von Frauen und Mädchen zu erhöhen.

6. Frauenorganisationen vernetzen und stärken

Ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen erfordert langfristigen gesellschaftlichen Wandel. Doch bisher scheitern Fortschritte am fehlenden politischen Willen und Engagement sowie durch die anhaltenden Konflikte in der Großen Seen Region. medica mondiale setzt daher darauf, Frauenorganisationen als zivilgesellschaftliche Akteure zu bestärken, sich in der Region zu vernetzen, um gemeinsam gegen Gewalt anzugehen. Ein länderübergreifendes Programm bietet den Partner:innen neben finanzieller und fachlicher Unterstützung Raum, sich auszutauschen und von- und miteinander zu lernen.

7. Feministische Aktion stärken

Feministisch handeln heißt gemeinsam handeln. medica mondiale setzt daher auf Austausch und Vernetzung. Bei einem Fachtag treffen sich jedes Jahr Akteur:innen und Partner:innen aus der ganzen Region. Gemeinsam diskutieren sie zum Beispiel wirksame Ansätze der psychosozialen Arbeit. Mit feministischen Führungstrainings stärken wir zudem Frauen in Leitungspositionen zivilgesellschaftlicher und staatlicher Strukturen.

(Stand „Arbeitsschwerpunkte“: 07/2022)