Wir unterstützen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten.
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08.08.2022

medica mondiale Jahresbericht 2021

PDF, Bericht

Gemeinsam Handlungsspielräume verteidigen

Sybille Fezer zur Lage von Frauenrechten in Afghanistan und anderen Konfliktregionen 2021

Wie hat sich die Lage für Frauenrechte im letzten Jahr entwickelt?

Weltweit beobachten wir, dass Frauenrechte angegriffen werden. Aktivist:innen, die sich für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen, werden bedroht und ihre Arbeit wird erschwert. Ein trauriger Tiefpunkt war die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Aber auch in anderen Konfliktregionen sehen sich Frauenrechtsaktivist:innen mit Angriffen konfrontiert.

Wir verfolgen diese Entwicklung mit großer Sorge. Frauenrechtsaktivist:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen sind es, die sich tagtäglich für stabile Gesellschaften und Frieden einsetzen. Sie verdienen jetzt unsere besondere Solidarität!

Im Sommer 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Was bedeutet das für die Arbeit von medica mondiale?

Die Entwicklungen in Afghanistan waren für uns eine der größten Herausforderungen seit der Gründung. 20 Jahre lang haben wir mit unserer afghanischen Partnerorganisation gewaltbetroffene Frauen unterstützt. Mit der Machtübernahme der Taliban gerieten unsere Partner:innen in akute Lebensgefahr. Ein Krisenstab hat wochenlang rund um die Uhr gearbeitet, um sie in Sicherheit zu bringen. Mit Erfolg!

Insgesamt ist es natürlich ein herber Rückschlag für unsere jahrzehntelange Arbeit vor Ort, aber für uns steht fest: Wir stehen weiter an der Seite von Frauen und Mädchen in Afghanistan.

Der Machtwechsel in Afghanistan war nicht die einzige Krise im letzten Jahr…

Als Frauenrechtsorganisation, die sich in Konfliktregionen engagiert, sind wir Krisen und Rückschläge gewohnt. Aber die letzten Jahre haben uns stark herausgefordert. Durch die Covid-19-Pandemie mussten wir Projekte immer wieder anpassen und Krankheitsausfälle auffangen. Dazu kamen Naturkatastrophen wie der Vulkanausbruch in der DR Kongo.

Und natürlich spüren wir die Auswirkungen von politischen Entwicklungen. Viele Länder schränken zivilgesellschaftliches Engagement ein. Die Spielräume für Aktivist:innen werden kleiner.

Wie reagieren medica mondiale und die Partnerorganisationen auf diese Entwicklungen?

Wir sehen bei unseren Partner:innen, trotz aller Belastungen und Anfeindungen, eine enorme Kraft. Sie erzielen mit ihrer Arbeit große Erfolge, verteidigen Handlungsspielräume und erschließen neue. Auch in Deutschland haben wir gemeinsam mit Verbündeten Fortschritte erreicht und bewirkt, dass die neue Regierung ihre Verantwortung für Frauenrechte im Koalitionsvertrag verankert – in der Außen- und in der Inlandspolitik.

Wir erleben viel Solidarität mit und unter Frauenrechtsaktivist:innen – bei unseren Partnerorganisationen, aber auch bei unseren Unterstützer:innen. Das gibt uns Kraft und Mut für unsere Arbeit.

Welchen Einfluss hat der Krieg in der Ukraine auf die Arbeit von medica mondiale?

Aus unserer fast 30-jährigen Erfahrung in Kriegs- und Krisengebieten wissen wir, dass in dieser Situation die Gefahr für Frauen und Mädchen steigt, sexualisierte Gewalt zu erleben.

Frauen und Mädchen in der Ukraine und auf der Flucht brauchen jetzt Schutz und Unterstützung. Wir vernetzen uns aktuell mit Frauenrechtsorganisationen in ganz Europa und in der Ukraine, teilen unsere Expertise in der psychosozialen Betreuung von gewaltbetroffenen Frauen und bieten seit Mai 2022 auch Trainings an.

Wie blicken Sie auf 2022?

Ein Fokus wird unsere weitere Arbeit in Afghanistan sein. Wir sind im engen Austausch mit unseren afghanischen Kolleg:innen sowie Aktivist:innen, die sich in und außerhalb des Landes für Frauenrechte einsetzen. In Westafrika, Südosteuropa und der Region der Großen Seen setzen wir 2022 noch stärker auf länderübergreifende Programme und fördern die Vernetzung unserer Partner:innen.

Und wir freuen uns, dass langsam wieder Dienstreisen möglich sind. So selbstverständlich wir mittlerweile mit digitalen Plattformen umgehen, so ersetzt doch kein Online-Meeting den persönlichen Austausch mit unseren Partner:innen.