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08. Februar 2019 - Meldung

Kosovo: Kriegsrente für vergewaltigte Frauen

Pressemitteilung: Köln, 8. Februar 2019. Frauen und Mädchen, die während des Kosovo-Krieges 1998/1999 vergewaltigt wurden, können seit Februar 2018 eine monatliche Kriegsrente von 230 Euro beantragen. Anträge können auch von im Ausland lebenden Personen gestellt werden. Mirlinda Sada, Direktorin unserer Partnerorganisation Medica Gjakova, zieht Bilanz über das erste Jahr.

Eine Löwenzahnpflanze wächst aus einem ausgetrockneten Boden

900 im Kosovo-Krieg vergewaltigte Frauen und Männer haben im Jahr 2018 eine Entschädigungsrente beantragt. 190 Gesuche wurden bewilligt, 100 abgelehnt. Das teilte die Prüfungskommission der kosovarischen Regierung auf Anfrage der Hilfsorganisation Medica Gjakova mit. Schätzungsweise 20.000 Frauen und Mädchen waren während des Krieges 1998/1999 sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Seit Februar 2018 können sie eine monatliche Rente von 230 Euro einfordern. Mittlerweile im Ausland lebende Betroffene haben ebenfalls Anspruch auf die Entschädigung.

Antragstellung der Kriegsrente auf 5 Jahre bis 2023 begrenzt

Medica Gjakova, Partnerin der in Köln ansässigen Frauenrechtsorganisation medica mondiale im Kosovo, berät Überlebende sexualisierter Gewalt bei der Antragstellung. „Katastrophal ist: Zwei Drittel der eingereichten Formulare sind noch unbearbeitet“, bemängelt Mirlinda Sada, Direktorin von Medica Gjakova. „Die Frauen finden das Warten und die Ungewissheit unerträglich.“ Kritisch bewertet die kosovarische Aktivistin, dass die Prüfungskommission nicht kontrolliert wird. So gebe es zum Beispiel keine öffentlich zugängliche Statistik zur Antragstellung und die Kommission nenne bei einer Absage keine Gründe. Die Betroffenen hätten außerdem nur fünf Jahre Zeit, bis Anfang 2023, um ihren Antrag zu stellen.

Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt endlich offiziell als zivile Kriegsopfer anerkannt

Trotz dieser Kritik begrüßen Frauenrechtlerinnen wie Sada, dass Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt 2014 endlich offiziell als zivile Kriegsopfer anerkannt wurden. Sechs kommunale Büros und vier zivilgesellschaftliche Organisationen beraten Betroffene, die einen Rentenantrag stellen möchten. Medica Gjakova ist eine davon. Die Entschädigung löse Konflikte in den Familien aus, erklärt Sada. Frauen würden unter Druck gesetzt, weil ihre Angehörigen befürchten, die 20 Jahre lang verschwiegene Vergewaltigung könne mit dem Rentenbescheid bekannt werden. „Dabei ist es wichtig, das Unrecht von damals endlich anzuerkennen“, so Sada. „Wir merken das in den Beratungsgesprächen. Die Frauen wollen sprechen und den Stein auf der Brust loswerden.“

Beratung bei der Antragstellung

Medica Gjakova
Mail: medicagjakova@gmail.com
Telefon: +383 390 326 812
www.medicagjakova.org
Facebook

Antragsformular: https://mpms.rks-gov.net/wpdm-package/formulari-per-aplikim-per-njohjen-e-statusit-te-viktimave-pdf/
 

Hintergrund

Kurz nach Kriegsende 1999 eröffnete die Kölner Frauenrechtsorganisation medica mondiale ein Frauentherapiezentrum in Gjakova im Südwesten des Kosovo. 2011 entstand eine zweite Organisation, Medica Gjakova. Ihre Mitarbeiterinnen unterstützen Überlebende von (Kriegs-)Gewalt medizinisch, psychosozial und rechtlich. medica mondiale engagiert sich seit über 25 Jahren für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten. Dabei versteht sich die Organisation als Anwältin für die Rechte und Interessen von Frauen, die sexualisierte Kriegsgewalt überlebt haben.

Autorin: Mechthild Buchholz, Pressesprecherin bei medica mondiale

 

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