Frauenrechtsarbeit in Afghanistan: Schwierig, aber nicht unmöglich
Seit August 2021 schränken die Taliban die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen immer weiter ein. So dürfen Frauen nur noch vollverschleiert und in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds das Haus verlassen. Mädchenschulen ab der 7. Klasse sind geschlossen, und seit Ende 2022 dürfen Frauen keine Universitäten mehr besuchen. Am 24. Dezember 2022 erfolgte ein weiterer schwerer Rückschlag. Nach einer Anordnung der Taliban ist es Frauen nun verboten, in lokalen und internationalen NGOs zu arbeiten. Das Verbot betrifft Zehntausende afghanische Frauen, die als Dozent:innen, Berater:innen oder Vermittler:innen beschäftigt waren.
Frauenrechtsarbeit wird damit weiter erschwert. Doch für uns ist klar: Wir setzen unsere Arbeit in Afghanistan fort. Allein diese Zusicherung ist für unsere Partnerorganisationen enorm wichtig. Denn viele Aktivist:innen fühlen sich derzeit von der internationalen Gemeinschaft vergessen. Die Sorge, dass internationale Geberorganisationen sich völlig aus Afghanistan zurückziehen, ist groß.
"Jedes Projekt und jede Maßnahme, die wir umsetzen, ist ein Erfolg."
Unsere Partnerorganisationen suchen nach Wegen, wie sie Frauen und Mädchen weiterhin unterstützen können. Sie überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, das aktuelle Arbeitsverbot zu interpretieren: ob und wie sie von zuhause arbeiten können, welche Wege und Netzwerke weiterhin offenstehen, welche Aktivitäten weitergeführt werden können.
Unsere Projekte in Afghanistan
Um die Sicherheit unserer Partnerorganisationen nicht zu gefährden, dürfen wir ihre Namen nicht in Zusammenhang mit konkreten Projekten nennen. Ein Überblick über ihre Arbeit:
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Psychosoziale Beratung für gewaltbetroffene Frauen
In mehreren Provinzen werden psychosoziale Beratungen für Frauen angeboten, die nun zum Großteil auf Online-Dienste umgestellt werden sowie eine Telefon-Hotline für gewaltbetroffene Frauen. Momentan plant eine Organisation, weitere Beratungszentren einzurichten, um mehr Frauen zu erreichen. Die Frauen werden meist über Anwält:innen, Ärzt:innen, Lehrer:innen und persönliche Kontakte an die Organisation vermittelt.
Weiterhin bieten mehrere Organisationen finanzielle Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen, die eigene kleine Geschäfte entwickeln. Die Organisation klärt außerdem in einer Provinz über die Gefahren von Frühverheiratung, Gewalt gegen Frauen und den Wert von Mädchenbildung auf. Dazu arbeitet sie mit religiösen Autoritäten zusammen.
Eine Organisation setzt sich außerdem auf nationaler und internationaler Ebene für die Situation von Frauen in Afghanistan ein
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Weiterbildung für Jurist:innen
Eine Organisation berät und schult ehemalige Jurist:innen. Sie weicht vor allem auf Online-Angebote aus. Die Mitarbeiter:innen schulen ehemalige Jurastudent:innen zu Menschen- und Frauenrechten – Themen, die offiziell nicht mehr unterrichtet werden, aber die in der aktuellen Lage wichtig sind. Das mühsam aufgebaute Wissen zu Frauen- und Menschenrechten darf nicht verloren gehen!
In diesem Jahr plant medica mondiale, Sitzungen zur Selbstfürsorge und zum Stressmanagement für bis zu 50 der Student:innen anzubieten.
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Nothilfe und psychosoziale Unterstützung für gefährdete Menschenrechtsverteidiger:innen
Eine Organisation bietet Schutz, Beratung und Unterstützung für bedrohte Menschen- und Frauenrechtsverteidiger:innen. Aus Sicherheitsgründen können wir keine weiteren Details zum Projekt bekannt geben.
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Unterstützung für Frauen und Mädchen unter den Taliban
Eine Organisation bietet Bildungs- und Stärkungsangebote für Frauen und Mädchen sowie einen Schneidereikurs für Mädchen und Beratung für weibliche Angestellte, die online arbeiten müssen. Außerdem unterstützt medica mondiale die Organisation bei der Neustrukturierung ihrer Aktivitäten.
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Netzwerke in Afghanistan stärken
medica mondiale baut derzeit Angebote aus, um Frauenrechtler:innen, die aus Afghanistan flüchten müssen oder sich noch in Afghanistan befinden, bestmöglich zu unterstützen. Die Aktivist:innen können an Workshops und Beratungen teilnehmen und sich vernetzen. Einige dieser Workshops werden von früheren afghanischen Kolleg:innen durchgeführt. Diese Vernetzung von mutigen Frauenrechtler:innen in und außerhalb von Afghanistan ist in dieser unsicheren und bedrohlichen Zeit für viele Aktivist:innen extrem wichtig.
Darüber hinaus unterstützt das Team von medica mondiale die politische Arbeit der Partner:innen, indem die Kolleg:innen ihre Perspektiven in verschiedene Arbeitsgruppen und politische Treffen mit der deutschen Zivilgesellschaft und der Bundesregierung einbringen sowie ihre Teilnahme an relevanten Konferenzen und Austauschtreffen sicherstellen.
Wichtig für afghanische Aktivist:innen: Nicht die Hoffnung aufgeben
medica mondiale steht solidarisch an der Seite der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Selbst wenn Taliban Frauen aus allen Bereichen des Lebens ausschließen: Sie können den Mut und den selbstbestimmten Geist der afghanischen Frauen und Mädchen nicht töten.
"Hört nicht auf, Frauenorganisationen in Afghanistan zu unterstützen. Sie brauchen jetzt Schutz, Räume und Netzwerke, um neue Strategien zu entwickeln!"
Es ist wichtig, jetzt nicht die Hoffnung aufzugeben. Vielmehr müssen wir all diejenigen im Blick behalten, die sich jeden Tag widersetzen und den Raum für Frauenrechte – wenn auch nur ein klein wenig – vergrößern.