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31. August 2022 - Interview

Humaira Rasuli: „Die afghanischen Frauen geben nicht auf – sie fordern gesellschaftliche Teilhabe und ein Recht auf Bildung“

Ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wurden die Rechte von Frauen und Mädchen massiv eingeschränkt. Sie wurden aus dem öffentlichen Leben verbannt und sind von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen. Wir wollen auf die Erfolge und Beharrlichkeit der afghanischen Frauenrechtsaktivist:innen aufmerksam machen. Eine von ihnen ist Humaira Rasuli. Die Menschenrechtsanwältin und Gründerin einer afghanischen Nichtregierungsorganisation berichtet über ihre Frauenrechtsarbeit aus dem Exil.

Portraitfoto von Humaira Rasuli.
Humaira Rasuli ist eine afghanische Aktivistin und Menschenrechtsanwältin. Sie lebt in den USA.

Welche Hoffnungen haben Sie für Afghanistan und die Frauen, die dort weiterhin leben? 

Alle Mädchen sollten die Möglichkeit haben, Schulen und Universitäten zu besuchen. Alle Frauen sollten sofort und ohne Bedingungen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, in welcher Funktion auch immer sie vor August 2021 tätig waren.

Welche Art von Frauenrechtsarbeit kann derzeit in Afghanistan überhaupt noch geleistet werden? 

Ich unterrichte afghanische Jurastudierende online und bereite sie darauf vor, Überlebende von Gewalt zu vertreten. Außerdem berate ich Aktivist:innen, wie sie Frauen und Überlebende von Ungerechtigkeit und Gewalt vertreten können. Als Gründerin einer Organisation, die in Afghanistan tätig ist, bin ich auch mit den Sicherheitsvorkehrungen befasst und führe wöchentlich Gespräche mit meinem Team in Kabul. Die Lebensumstände meiner Mitarbeiter:innen in Afghanistan sind katastrophal.   Ich setze mich für die Rechte von afghanischen Frauen ein und stärke meine Schwestern, indem ich Netzwerke aufbaue, um Aktivist:innen moralisch und praktisch zu unterstützen.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Ich mache mir ernsthafte Sorgen um die Lage in Afghanistan, vor allem um Frauen und Mädchen. Aber es gibt mir Hoffnung, wenn ich sehe, dass die Frauen nicht aufgeben. Sie führen ständig Kampagnen, Proteste und Veranstaltungen durch. Sie fordern gesellschaftliche Beteiligung und die Fortsetzung der Frauenarbeit und -bildung. Ihr Mut und ihr Engagement im Kampf gegen Machtmissbrauch und Gewalt sind beeindruckend und erfüllen mich mit Demut.

Was ist derzeit die größte Herausforderung für Sie?

Ich befinde mich täglich in einem großen emotionalen Konflikt.  Ich bin so dankbar und erleichtert, dass meine Familie und ich in den USA in Sicherheit sind. Gleichzeitig fühle ich mich schuldig gegenüber denjenigen, die ich hinter mir gelassen habe, während mein Leben hier sicher und komfortabel ist.

Was können Frauenrechtsorganisationen weltweit tun, um afghanische Frauen und Mädchen zu unterstützen?

Frauenrechtsorganisationen könnten Plattformen schaffen, die es Frauen im Exil ermöglicht, in den Austausch zu treten. Gemeinsam können wir die Taliban-Führer auffordern sich unserer Themen wie Rechtsstaatlichkeit, Zugang zur Justiz, grundlegende Menschenrechte, Freiheit sowie volle und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen anzunehmen. Wir brauchen internationale Organisationen, die die afghanische Frauenbewegung sowohl finanziell als auch technisch und moralisch unterstützen. Ich glaube, dass Frauenorganisationen die einzigen Räume sind, die den afghanischen Frauen und Mädchen bleiben, um zusammenzukommen.