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15. August 2024 - Meldung

Evakuierte Frauenrechtsaktivistinnen aus Afghanistan bekommen Menschenrechtspreis

Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 erleben Frauen in Afghanistan eine beispiellose Unterdrückung. Doch trotz der oft aussichtslosen Lage finden afghanische Aktivist:innen mutige Wege, sich zu unterstützen und für ihre Rechte zu kämpfen. Ein inspirierendes Beispiel ist der Verein Hami – Women Empowerment Organization, gegründet von evakuierten Aktivistinnen in Deutschland. Diese werden nun am 15.09.2024 für ihre herausragende Arbeit mit dem Menschenrechtspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung ausgezeichnet.

30 evakuierte Frauenrechtsaktivistinnen aus Afghanistan haben den Verein Hami gegründet. Auf dem Gruppenfoto lachen sie und freuen sich über herausragende Arbeit aus dem Exil.
2021 waren sie vor den Taliban nach Deutschland geflohen. Zwei Jahre später beschlossen die afghanischen Aktivist:innen, den Verein „Hami” zu gründen, um migrantisierte Frauen zu unterstützen.

Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban leben Frauen in Afghanistan in einer der größten Krisen der Frauenrechte weltweit. Mit über 50 Restriktionen, Dekreten, Verboten knüpfen die Taliban ein immer enger werdendes Netz, das das Leben von Frauen in allen Bereichen kontrollieren, regieren und negieren soll. Doch trotz eines Regimes, das mit allen Mitteln versucht Frauen zu isolieren und voneinander fernzuhalten, finden Frauen weiterhin – trotz Gefahr und gegen alle Widerstände – Wege, um sich gegenseitig zu helfen und sich für ihre Rechte einzusetzen.

Ein starkes inspirierendes Beispiel sind die 30 afghanischen Aktivist:innen des gemeinnützigen Vereins Hami – Women Empowerment Organization in Deutschland. Sie haben bis 2021 für unsere Partnerorganisation Medica Afghanistan gearbeitet. Mit Unterstützung von medica mondiale gelang ihnen und ihren engsten Familienangehörigen die Flucht aus Afghanistan nach Deutschland. Seit Gründung von Hami 2023 geben sie ihre Expertise und Erfahrung in der Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen weiter und unterstützen Frauen mit Migrationserfahrung in Deutschland sowie in Afghanistan und anderen Krisengebieten.

Für ihre herausragende Arbeit wird Hami am 15. September 2024 in Köln mit dem Menschenrechtspreis 2024 der Gerhart und Renate Baum-Stiftung ausgezeichnet, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Die Preisverleihung findet am 15. September 2024 im Theater Comedia Köln statt und wird von Bettina Böttinger moderiert.

„Wir sind hocherfreut den Menschenrechtspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung zu erhalten. Die Anerkennung und Auszeichnung unserer neu gegründeten Organisation bedeutet uns viel und motiviert uns sehr. Wir bringen mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Frauenrechtsarbeit mit und freuen uns, unsere Expertise ab jetzt nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Deutschland und in Krisenregionen weltweit einzubringen.”

Masiha Fayez, Vorsitzende von Hami e.V.

„Der Menschenrechtspreis 2024 der Gerhart und Renate Baum-Stiftung an Hami - Women Empowerment Organization versteht sich als eine respektvolle Verneigung vor dieser geballten Frauenpower. Hami ist ein großartiges integrationspolitisches Beispiel dafür, wie geflüchtete Menschen in ihren Fähigkeiten gestärkt werden, wenn ihre mitgebrachte Expertise hier anerkannt wird und sie sich dadurch mit Engagement in unsere Gesellschaft einbringen, eine gesellschaftspolitische Win-Win-Situation."

Gerhart und Renate Baum

Eine Frau mit grauem Blazer steht auf einer Dachterrasse mit Kölner Dom im Hintergrund. Es ist Monika Hauser, Vorstandsvorsitzende bei medica mondiale.

„Die Preisträgerinnen von Hami standen als Mitarbeiterinnen von Medica Afghanistan 20 Jahre lang an der Seite von Frauen. Unermüdlich, gegen alle Widerstände, kämpften sie für bessere Rechte in Afghanistan und waren Vorbild für eine neue Generationen von Frauen in Afghanistan. Dass sie sich kurz nachdem sie in Deutschland angekommen sind, erneut zusammenschließen, um Frauen zu unterstützen, zeigt ihre unermüdliche Kraft, ihren Mut, ihre tiefe Solidarität mit Frauen in Afghanistan, Deutschland und weltweit. Die Auszeichnung mit dem Menschenrechtspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung ist wichtige Anerkennung und Stärkung.”

Monika Hauser, Gründerin und Vorständin von medica mondiale

20 Jahre Engagement für Frauenrechte

Medica Afghanistan, die afghanische Partnerorganisation von medica mondiale, stand 20 Jahre  lang – von 2001 bis 2021 - an der Seite von Frauen, die sexualisierte Gewalt und andere Formen der Unterdrückung erlebt haben. Gemeinsam haben wir für ein Ende sexualisierter Gewalt gekämpft, für politische Veränderung der patriarchalen Machtverhältnisse. Medica Afghanistan begleitete betroffene Frauen psychosozial und juristisch vor Gericht, bildete Institutionen und Behörden im stress- und traumasensiblen Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen aus und setzte sich auf politischer Ebene für bessere Gesetze gegen Gewalt an Frauen ein. Ihre Arbeit war prägend, sie waren Vorbild für eine neue Generation von Afghan:innen.  

 

Evakuierung und Neuanfang in Deutschland

Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 mussten unsere Kolleginnen aus Afghanistan fliehen. Die Evakuierung der 90 afghanischen Mitarbeitenden und ihrer Familien war ein Kraftakt voller emotionaler und logistischer Herausforderungen – für die Aktivist:innen selbst, aber auch für die sie unterstützenden Kolleg:innen von medica mondiale. Diese Zeit war  aufreibend, oft aussichtslos - geprägt von großer Solidarität und Mut. Die Aktivistinnen und ihre Familien erlebten große Gefahr und mussten ihre Heimat, Familienangehörige, Freund:innen, Nachbar:innen und ihr Leben in Afghanistan zurücklassen.

Nach diesen traumatischen Erfahrungen war der Neuanfang in Deutschland eine Herausforderung – denen unsere Kolleginnen mit enormer Stärke und Kraft begegnet sind. Eine neue Sprache, ein unbekanntes Umfeld und endlose bürokratische Hürden machten den Start nicht immer leicht. medica mondiale unterstütze mit dem eigens gegründeten „Team Welcome” mit Sprachkursen, Erstversorgung für neugeborene Babys, Laptops.

Heute, rund drei Jahre später, hat sich vieles getan. Die meisten Familien leben nicht mehr in Geflüchtetenunterkünften, sondern in eigenen Wohnungen, die Kinder gehen zur Schule.  An der  Frankfurt University of Applied Sciences konnten viele der Frauen an einem Programm teilnehmen und eine Weiterbildung im Bereich Soziale Arbeit absolvieren. Außerdem bauen sie gemeinsam mit dem Trauma-Bereich von medica mondiale ein Pilotprojekt auf, in dem eine „Self-care and collective care platform“ entwickelt wird. Ziel dieser Plattform ist es, afghanische Frauen in Afghanistan und in der Diaspora zu vernetzen und zu stärken.

 

Mut, Hoffnung und Stärke als Vorbild

Unsere afghanischen Kolleg:innen zeigen uns: Mut, Hoffnung und Stärke liegen nah beieinander. Ihr Beispiel ist ein Vorbild für uns alle und zeigt, wie geflüchtete Frauen, wenn sie in ihren Fähigkeiten gestärkt werden und sich zusammenschließen, innerhalb kurzer Zeit Wege finden, ihre Expertise in die Gesellschaft einzubringen.

Gemeinsam standen wir 20 Jahre lang an der Seite von gewaltbetroffenen Frauen in Afghanistan. Gemeinsam stehen wir weiterhin zusammen.