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08. Oktober 2020 - Meldung

20 Jahre UN-Resolution 1325 “Frauen, Frieden und Sicherheit”: Eine Bilanz

Am 31. Oktober 2000 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) einstimmig die Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Zum ersten Mal überhaupt befasste sich das mächtige Gremium ausschließlich mit der Situation von Frauen und Mädchen in Kriegskontexten. Der Rat stellte dabei fest, dass der Schutz von Frauen und Mädchen sowie ihre volle Mitwirkung am Friedensprozess zur Wahrung des Weltfriedens beitragen. Mit neun Folgeresolutionen haben die Vereinten Nationen seitdem eine umfassende Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ geschaffen.

Jeannette Böhme in New York

Die Resolution 1325 war bahnbrechend. Denn sie  stellt im Gegensatz zum klassischen Sicherheitskonzept nicht den Staat in den Mittelpunkt der Sicherheitspolitik, sondern die Rechte und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten. Dieser Paradigmenwechsel ist vor allem dem unermüdlichen Engagement von Frauenrechtsaktivistinnen zu verdanken. Seit der Weltfrauenkonferenz in Peking  1995 hatten sie sich dafür eingesetzt, dass das Thema ebenfalls vom Sicherheitsrat behandelt wird.  So ist es schließlich gelungen, einen rechtlich bindenden Rahmen zu schaffen.

Die Vereinten Nationen sowie ihre Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Agenda “Frauen, Frieden und Sicherheit” vollumfassend umzusetzen. Dies ist klar ein Erfolg der internationalen feministischen Bewegung.

Schutz gegen Gewalt, Beteiligung an Friedensverhandlungen, Strafverfolgung von Tätern – alles nur Theorie?

Trotz dieser bedeutsamen normativen Errungenschaft ist die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ für die 264 Millionen Frauen und Mädchen, die in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt leben, eher eine rhetorische Absichtserklärung geblieben als gelebte Realität.

Noch immer fehlt der politische Wille, um diese zu verwirklichen. Und auch die hierfür notwendigen finanziellen Ressourcen werden nicht ausreichend zur Verfügung gestellt. Konkrete Fortschritte müssen auch heutzutage von Frauenrechtsaktivistinnen weltweit hart erkämpft werden, etwa wenn es um die Mitwirkung von Frauen an den Friedensverhandlungen in Afghanistan geht. Oder aber, wenn die Täter sexualisierter Gewalt im Irak endlich vor Gericht gestellt werden sollen.

Bereits Erreichtes steht auf dem Spiel: Frauenrechte verteidigen!

Und mehr noch erleben wir gegenwärtig einen Backlash in Sachen Frauenrechte. Die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ steht politisch unter Druck. So untergraben einige mächtige Mitglieder im Sicherheitsrat wie Russland, China oder die USA Frauenrechte und stellen etwa das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen erneut in Frage. Dies haben unter anderem die Verhandlungen zur von Deutschland in den Sicherheitsrat eingebrachten Resolution 2467 gezeigt. So wurden Dienstleistungen für die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt auf Druck der US-Regierung aus dem Resolutionsentwurf gestrichen. Es besteht daher die Gefahr, dass bereits Vereinbartes aufgeweicht oder gar zunichtegemacht wird.

Deshalb ist es wichtig, die bestehenden Resolutionen in ihrem Wortlaut auf internationaler Ebene zu verteidigen und prioritär die praktische Umsetzung der Agenda voranzubringen. 

Bundesregierung setzt UN-Resolution 1325 bisher nur schleppend um

Die Bundesregierung, als einflussreiche politische Akteurin sowie wichtige Geldgeberin, kann hierzu einen bedeutsamen Beitrag leisten.  Lange Zeit tat sie sich jedoch schwer, die Agenda “Frauen, Frieden und Sicherheit” ernst zu nehmen. Erst im Jahr 2012 verabschiedete die Bundesregierung ihren Ersten Nationalen Aktionsplan. Dieser war wenig wirkungsorientiert ausgerichtet und auch der politische Wille für die Umsetzung war gering.

In der aktuellen Legislaturperiode misst sie der Agenda höhere Bedeutung bei und kann einige Fortschritte verzeichnen. So hat die Bundesregierung  das Thema zu einem Schwerpunkt ihrer nichtständigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat gemacht. Gegenwärtig erarbeitet sie ihren Dritten Nationalen Aktionsplan, um der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik Rechnung zu tragen.

Deutsche Innen- und Außenpolitik muss geschlechtergerecht gestaltet werden

Nach wie vor bleibt jedoch problematisch, dass die Bundesregierung die Agenda vorrangig als reines Frauenförderungsinstrument behandelt. Die enorm wichtigen geschlechtersensiblen Konfliktanalysen und Folgeabschätzungen von politischen Entscheidungen existieren hingegen kaum. Wie unerlässlich solche Analysen sind, zeigen jedoch die Herausforderungen unserer Zeit: Ob Corona-Pandemie, Klimakrise oder der weltweit zunehmende Demokratieabbau – sie alle stellen eine Gefahr für Frieden und Sicherheit dar. Sie haben geschlechtsspezifische Auswirkungen und bedürfen geschlechtergerechter Lösungen. In ihrem kommenden Aktionsplan zu “Frauen, Frieden und Sicherheit” sollte sich die Bundesregierung daher dazu verpflichten, ihre Politik im In- und Ausland geschlechtergerecht zu gestalten.

Dritter Nationaler Aktionsplan: Rechten von Frauen und Mädchen Priorität einräumen

Damit dies gelingt, muss der Dritte Nationale Aktionsplan stärker als bisher wirkungsorientiert ausgerichtet werden. Dafür wären folgende Schritte notwendig: Zunächst muss die Bundesregierung den spezifischen nationalen Handlungsbedarf analysieren. Auf dieser Grundlage sollte sie Schwerpunkte, Ziele, Maßnahmen, Indikatoren und Verantwortlichkeiten festlegen. Außerdem sind verbindliche und transparente Mechanismen der Rechenschaftslegung erforderlich. Und schließlich sollte die Zivilgesellschaft an dem Monitoring der Umsetzung des Aktionsplans beteiligt werden.

Zudem muss die Bundesregierung den Aktionsplan mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausstatten. Angesichts der Auswirkungen der Coronakrise und der damit einhergehenden Umverteilung von Geldern ist zu befürchten, dass den Belangen von Frauen und Mädchen abermals keine Priorität eingeräumt wird. Dies wäre fatal.

Autorin: Jeannette Böhme, Referentin Politik und Menschenrechte bei medica mondiale 
 

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