Überlebende schützen und unterstützen!
Neben Mord, Geiselnahme und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen wurden sexualisierte Gewaltverbrechen verübt, die ebenfalls von extremer Brutalität gekennzeichnet waren. Bilder und Videos von den sexualisierten Übergriffen und die Identitäten der Opfer wurden von den Tätern gezielt in Sozialen Netzwerken verbreitet, um auf diesem Wege weiter zu terrorisieren, zu erniedrigen und zu demütigen. Die wenigen Überlebenden dieser Gewalt haben zudem massive Gewalt an anderen Menschen mitansehen müssen.
Meine und unsere Solidarität gilt am heutigen Tag den Überlebenden und den Hinterbliebenen der Getöten von 7. Oktober sowie allen Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt weltweit.
Gemeinsam mit Partnerorganisationen, Aktivist:innen und vielen anderen Verbündeten stehen wir seit 30 Jahren an der Seite von Überlebenden sexualisierter Gewalt in Kriegen und Konflikten – in Bosnien und Herzegowina, in Afghanistan und der Demokratischen Republik Kongo. Wir wissen, was Krieg und Waffengewalt für Menschen bedeuten, insbesondere für Frauen und Kinder.
medica mondiale ist tief besorgt über die eskalierende Gewalt, wie sie seit dem 7. Oktober die Leben der Menschen in Israel und Gaza, im Libanon und im Iran bedroht. Zehntausende Menschen wurden seitdem getötet, Millionen sind auf der Flucht, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Die humanitäre Krise in Gaza und Libanon verschärft sich von Tag zu Tag. medica mondiale fordert alle Konfliktparteien dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten und alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben von Zivilist:innen zu schützen sowie um ihre humanitäre Versorgung sicherzustellen. Unsere volle Solidarität und unser Mitgefühl gelten allen Menschen, die von der Gewalt betroffen sind.
Aus über 30 Jahren Erfahrung wissen wir: Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt brauchen Ruhe und Schutz sowie stress- und traumasensible medizinische, psychosoziale und juristische Unterstützung. Diese Unterstützung muss langfristig angelegt sein, sonst kann die erlebte Gewalt nicht verarbeitet werden und die Folgen des Traumas dauern an und reichen tief in das Leben der Betroffenen. Ohne nachhaltige Unterstützung kann die erlebte Gewalt auf Familien, Kinder und Enkelkinder sowie das soziale Umfeld übertragen werden. Sexualisierte Kriegsgewalt reicht als transgenerationales Trauma bis in unsere Gegenwart und beeinflusst unser gesellschaftliches Zusammenleben.
Wie stark und dauerhaft die Folgen eines Traumas sind, hängt auch von den Erfahrungen ab, die Überlebende in ihrem sozialen Umfeld machen. Oft wird den Betroffenen jedoch nicht geglaubt, sie werden ausgegrenzt und stigmatisiert. Nach dem 7. Oktober wurden die Bilder der Gewalt von Medien massenhaft veröffentlicht und von Politiker:innen für die eigene Agenda genutzt. Das ist kein Einzelfall. Viel zu oft wird das Leid der Überlebenden relativiert, medial skandalisiert oder für politische Meinungsmache instrumentalisiert: Die patriarchale Gewalt setzt sich fort.
Um Überlebende nachhaltig zu unterstützen und um sexualisierte Gewalt zu verhindern sowie ihre Ursachen zu überwinden, gilt es, das Leid der Betroffenen anzuerkennen und die Kraft zu würdigen, mit der sie Gewalt und Unrecht überlebt haben. Der Umgang mit sexualisierter Gewalt, ihre Anerkennung und Aufarbeitung muss als gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen werden.
Wir alle können und müssen hier unseren Beitrag leisten. Damit Überlebende sich gestärkt und unterstützt fühlen, damit sie wissen, dass sie nicht alleine sind. Für eine gerechtere Welt. Für alle.