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08. Oktober 2020 - Meldung

Sierra Leone: Augen auf für Mädchenrechte

Mädchen haben in Sierra Leone keinen leichten Stand. Sexualisierte Gewalt ist weit verbreitet und richtet sich oft bereits gegen sehr junge Mädchen. Fast 90 Prozent der Frauen und Mädchen sind von Genitalverstümmelung betroffen. Um nicht nur punktuelle Veränderungen zu bewirken, bildet die Organisation Girl2Girl Mädchen als Ansprechpartnerinnen für ihre Gemeinden aus – mit beeindruckenden Ergebnissen.

Einmal in der Woche kommen die Mädchen aus dem Umland von Freetown im Bürogebäude von Girl2Girl zusammen. Die Themen, mit denen sie sich beschäftigen, sind oft sehr bedrückend: sie reichen von Schulabbrüchen zu ungewollten Schwangerschaften, von Diskriminierung zu Genitalverstümmelung*. Die Mädchen berichten von dem, was sie in ihren Gemeinden beobachten oder selbst erleben. Sie diskutieren mögliche Lösungen und erhalten auch Raum für ihre Fragen, ihre Wut und ihre Überforderung.

Aufklärung über Frauenrechte: Mädchen geben ihr Wissen weiter

Girl2Girl bietet den Mädchen eine ganz besondere Weiterbildung. Zum einen erhalten sie ganz praktische Informationen, die ansonsten selten vermittelt werden: welche Rechte sie als Mädchen haben, welche Gesetze sie schützen und an wen sie sich im Ernstfall wenden können. Zum anderen werden sie dabei angeleitet, selbst Mädchengruppen zu gründen. Ihre Aufgabe ist es, auch bei anderen ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine Menschenrechtsverletzung ist.

Netzwerke gegen geschlechtsbasierte Gewalt: Eltern und Gemeinden mit ins Boot holen

Würde Girl2Girl die Mädchen mit dieser Aufgabe allein lassen, würde der Veränderungswille vermutlich in vielen Gemeinden im Keim ersticken. Die ProjektleiterInnen von Girl2Girl stellen sicher, dass die Mädchen von Elternvereinigungen unterstützt und in die Dorf- oder Gemeindearbeit integriert werden. Dafür müssen sie viel Überzeugungsarbeit leisten: „Viele wissen gar nicht, dass geschlechtsbasierte Gewalt ein Verbrechen ist. Sie denken wirklich, dass Frauen das Eigentum von Männern sind“, sagt eine Projektleiterin von Girl2Girl. „Der Dialog ist deswegen herausfordernd, aber für viele auch augenöffnend.“

Weibliche Genitalverstümmelung in Sierra Leone: Schnelle Reaktion bei Übergriffen

Dass Girl2Girl Gemeindemitglieder auf allen Ebenen einbindet, zahlt sich aus. Die Mitarbeiterinnen genießen ein hohes Vertrauen – auch in heiklen Fällen. Eine Mitarbeiterin berichtet von einem Fall Ende 2019. In einer der Gemeinden, in denen Girl2Girl aktiv ist, waren fünfzig junge Mädchen akut von einer Genitalverstümmelung bedroht. Einige junge Frauen erfuhren von dem Vorhaben und informierten daraufhin Girl2Girl. Die Mitarbeiterinnen handelten sehr schnell. Sie banden die Familieneinheit der Polizei ein, die das geplante Vorhaben unterband.

Empowerment – Wissen ist Macht gegen Menschenrechtsverletzungen

Dass die Mitarbeiterinnen von Girl2Girl wussten, an wen sie sich in diesem Fall wenden müssen, war wichtig. Letztlich entscheidend war jedoch, dass es in der Gemeinde geschulte junge Frauen gab, die Girl2Girl rechtzeitig informierten, die ihre Rolle verantwortungsvoll ausfüllten – und die wussten, dass Genitalverstümmelung eine Menschenrechtsverletzung ist, gegen die sie und andere Mädchen sich wehren können.

*Der Begriff „Genitalverstümmelung“ hat sich international durchgesetzt, ist jedoch umstritten, da Betroffene als „Verstümmelte“ stigmatisiert werden. Viele Betroffene bezeichnen sich selbst als „beschnittene“ Frauen. „Weibliche Beschneidung“ wird jedoch von der Weltgesundheitsorganisation als verharmlosend abgelehnt.

Erschienen im memo, 2. Ausgabe 2020, S. 8

 

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