Genitalverstümmelung, weibliche
Weibliche Genitalverstümmelung, auch weibliche Beschneidung genannt, bezeichnet eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung und stellt einen Verstoß gegen das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit dar.
Etwa 25 Prozent der betroffenen Frauen und Mädchen sterben während der Genitalverstümmelung oder an den Folgen. Für die Überlebenden sind die Folgen meist unumkehrbar und wirken ein Leben lang. Da die Prozedur in der Regel ohne Betäubung durchgeführt wird, sind die Betroffenen aufgrund der erlittenen Schmerzen oft hochgradig traumatisiert. Weitere mögliche psychische Folgen sind Angststörungen, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche und Depressionen. Zu den physischen Folgen zählen je nach Art der Beschneidung Blutverlust, Fistelbildung, Wucherungen, Infektionen wie HIV/Aids, chronische Schmerzen, Unfruchtbarkeit, Inkontinenz, Probleme beim Urinieren und Menstruieren, hohe Geburtsrisiken für Mutter und Kind sowie weitere gynäkologische Probleme.
Nur ein Teil der Frauen kann Therapien und Wiederherstellungsoperationen nutzen, was zwar Linderung schaffen, aber die Folgen nicht ungeschehen machen kann. Zudem hemmt die frauenfeindliche Praxis das Potential von Mädchen nicht nur aufgrund der physischen und psychischen Folgen, sondern auch da sie eng mit Bildungslosigkeit, Kinderheirat, Polygamie und häuslicher Gewalt verknüpft ist.
Gesellschaftliche Bedeutung
Die Ausübenden begründen weibliche Genitalverstümmelung aus ihrer Kultur heraus und bringen sie mit genügend vermeintlichen Vorteilen in Verbindung, um die Praktik weiter fortzuführen. Argumente zur Fortführung der Beschneidung finden sich in den Bereichen Tradition, Religion, medizinischen Mythen und ökonomischen Gründen.
Traditionen werden beispielsweise aus Respekt vor älteren Generationen und als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber der eigenen Herkunft am Leben erhalten. Mit einer Tradition zu brechen kann als Affront verstanden werden und mitunter tödlich enden. Obwohl keine Religion die weibliche Genitalverstümmelung vorschreibt, steht sie für viele Menschen in Verbindung mit spiritueller Reinheit. Zu medizinischen Mythen gehört mitunter der Glaube, dass eine beschnitte Vulva hygienischer oder der Kontakt mit der Klitoris tödlich sei. Zu ökonomischen Gründen zählen bessere Heiratschancen und ein höheres Brautgeld, was in Gemeinschaften, in denen der Status der Frau von ihrem Ehemann abhängt, überlebenswichtig sein kann.
Weltweite Ausmaße weiblicher Genitalverstümmelung
Weibliche Genitalverstümmelung oder FGM (Female Genital Mutilation) wird laut UNICEF (2023) in 31 Ländern auf drei Kontinenten ausgeübt; weltweit wurden bisher mehr als 200 Millionen Frauen verstümmelt. Da umfassende Studien allerdings nur für den Subsahararaum, Irak und Ägypten vorliegen, Genitalverstümmelung aber auch im Nahen Osten und Südostasien verbreitet ist, dürfte die Zahl eher doppelt so hoch ausfallen. Jedes Jahr laufen weltweit etwa drei Millionen Mädchen, meist unter 15 Jahren, Gefahr beschnitten zu werden.
Weibliche Beschneidung auch in Deutschland und Europa verbreitet
Durch Migration wird weibliche Genitalverstümmelung auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern praktiziert. Oft beharren Diaspora-Mitglieder stärker auf Traditionen und Ritualen als Menschen in ihren Herkunftsländern, teils aus Respekt vor ihrer Herkunft, aber auch aus Angst, bei Opposition gegen gewisse Traditionen Probleme in der Diaspora-Gemeinde zu bekommen. So werden Töchter weiter an ihren Genitalien verstümmelt, da dies für ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und das Fortbestehen der eigenen Gruppe wichtig erscheint. Laut einer vom Bundesfamilienministerium geförderten Studie aus 2017 leben in Deutschland rund 48.000 Mädchen und Frauen, die Opfer von Genitalverstümmelung wurden.
Insgesamt ging die Zahl durchgeführter Genitalverstümmelungen innerhalb der letzten drei Jahrzehnte zurück. Während laut Prävalenzdaten aus 31 Ländern in den 90er Jahren eines von zwei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren betroffen war, ist es heute eines von drei Mädchen. In Deutschland hingegen sind die Zahlen seit 2017 stark angestiegen – um bis zu 160 Prozent (Stand 2020).
Der Begriff „Weibliche Genitalverstümmelung“ hat sich international durchgesetzt, ist jedoch umstritten, da Betroffene als „Verstümmelte“ stigmatisiert werden. Betroffene bezeichnen sich selbst meist als „beschnittene“ Frauen und empfinden „verstümmelt“ als beleidigend. Der Begriff „Weibliche Beschneidung“ dagegen wird unter anderem von der WHO als verharmlosend abgelehnt.