Wir unterstützen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten.
Suche
16. Mai 2019 - Meldung

Uganda: Traditionelle Geschlechtervorstellungen hinterfragen

Wenn die Frauenrechtsorganisation MEMPROW in Norduganda zum Training einlädt, kommen auch gestandene Gemeindeautoritäten ins Grübeln. Die lokalen Chiefs haben oft traditionelle Geschlechtervorstellungen. Frauen und Mädchen, so denken viele, haben sich den Bedürfnissen von Männern unterzuordnen. MEMPROW stellt dieses Denken in Frage und setzt sich für ein gesamtgesellschaftliches Umdenken ein.

„Wenn eine Frau ihr eigenes Geld verdient, verursacht das Konflikte in der Familie.“ Die versammelten Männer werden gebeten, sich zu dieser Aussage zu positionieren. Sie sind sich an diesem Punkt einig – eigentlich. Doch etwas hat sich in den letzten Stunden verändert. Einige der Männer diskutieren leise miteinander, zögern merklich. Eine kleine Gruppe von Männern fasst schließlich Mut und positioniert sich unter dem Schild „I disagree“ – „Ich stimme nicht zu“.

Mächtigen Männern provokante Fragen stellen und gesellschaftliches Umdenken bewirken

Es handelt sich hier um ein ganz besonderes Training. Die feministische Organisation MEMPROW, eine Partnerorganisation von medica mondiale, hat 20 Chiefs im Nordwesten Ugandas zusammengerufen. Direkt dem König untergeordnet, genießen die Chiefs eine hohe gesellschaftliche Stellung und beeinflussen in ihrer Haltung und mit ihren Entscheidungen das Leben in der Gemeinschaft. MEMPROW setzt deswegen neben seiner Arbeit mit Frauen und Mädchen ganz bewusst an dieser Schnittstelle an. Nur durch gesellschaftliches Umdenken, so ihre Überzeugung, kann nachhaltige Veränderung gelingen.

Die Arbeit mit den Chiefs erfordert eine besondere Sensibilität. Hilda Tadria, der Leiterin von MEMPROW, gelingt der Spagat zwischen wertschätzendem Umgang und provokanten Fragen. Sie schafft es, die Chiefs auf ihre Seite zu holen – und sie im Laufe des Trainings sichtlich ins Grübeln zu bringen.

Frauen und Mädchen eine selbstbestimmte Zukunft ermöglichen

MEMPROW engagiert sich seit über zehn Jahren in Norduganda. Einen Schwerpunkt bilden Trainings für minderjährige Mütter. Frühe Schwangerschaften und Hochzeiten sind nicht selten eine Folge von Verzweiflung und Perspektivlosigkeit. „Ich musste schon als Kind viel arbeiten. Keiner hat sich um mich gekümmert. Als ich 14 Jahre alt war, beschlossen meine Eltern, mein Schulgeld nicht mehr zu bezahlen“, erzählt Doreen, eine Trainingsteilnehmerin. „Was sollte ich machen? Ich habe mich entschieden, mir einen Mann zu suchen, von dem ich auch schwanger wurde. Dann fing er an, mich zu schlagen.“

Um den Mädchen einen Ausweg aus der Spirale von Armut und Gewalt zu ermöglichen, zeigt MEMPROW ihnen in den Trainings neue Perspektiven auf. Die Mädchen lernen, dass sie Rechte haben und wie sie diese einfordern können. Sie erhalten Informationen zu Kindererziehung und Familienplanung und üben in Kleingruppen, Kapital anzulegen und Investitionen zu planen. Diese stärkenden Workshops kann MEMPROW jedoch nicht ohne die Unterstützung der lokalen Autoritäten durchführen. Nur so gelingt es der Organisation, die Mädchen gezielt anzusprechen– und für ihre Trainings mit Frauen und Mädchen auch den notwendigen Rückhalt in der Gemeinde zu erhalten.

Bestehende Männer- und Frauenrollen in Frage stellen

Die Chiefs sind im Laufe des Trainings sichtlich in Fahrt gekommen. „Männer sind natürliche Anführer“, formuliert Hilda und bittet die Männer, sich zu positionieren. Nun sind es schon mehrere Männer, die nicht zustimmen. Ein Mann weiß, dass es in der Geschichte ihres Königreichs zwei Königinnen gab. Warum gibt es dann nur männliche Chiefs, fragt Hilda. Einige Männer haben eine Erklärung, andere protestieren. Eins ist in jedem Falle deutlich: Die Diskussion ist gerade erst in Gang gekommen.

Autorin: Esther Wahlen, Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei medica mondiale

Erschienen im memo, 1. Ausgabe 2019, S. 6

Verwandte Themen

Mehr über unsere Projekte in Zentralafrika

Mehr über unsere Partnerorganisationen