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11. August 2022 - Pressemeldung

"Zu wenig, zu langsam": Evakuierung von Aktivist:innen aus Afghanistan ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban

Pressemitteilung: Köln, 11. August 2022. Die Bundesregierung hatte angekündigt, bedrohte Afghan:innen zu evakuieren. Doch bisher ist viel zu wenig und zu langsam gehandelt worden. Immer noch sitzen tausende Menschen mit und ohne Aufnahmezusage in Afghanistan fest. medica mondiale blickt ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban mit Sorge auf die Situation von Frauenrechtsaktivist:innen in Afghanistan und fordert angesichts der lebensbedrohlichen Lage schnelle Lösungen für betroffene Aktivist:innen.

Menschen auf einer Demonstration mit Plakaten und Solidaritätsbekundungen für Frauen in Afghanistan.
Weltweit demonstrieren im Sommer 2021 Menschen für die sichere Evakuierung gefährdeter Afghan:innen.

Keine Frauen mehr in der Politik, immer weniger Frauen im öffentlichen Leben

Nach dem Abzug der internationalen Truppen ist Afghanistan innerhalb kürzester Zeit das einzige Land auf der Welt geworden, in dem keine einzige Frau ein politisches oder administratives Amt innehat. Frauen ist es untersagt, sich politisch und an der Regierung zu beteiligen. Sie werden systematisch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, Mädchenschulen ab der 7. Klasse sind geschlossen. Die Taliban negieren im Aufbau ihres Staates die Existenz von Frauen.

„In Afghanistan sehen wir wie die Rechte von Frauen und Mädchen in allen Bereichen des Lebens beschnitten werden.”,

Monika Hauser, Vorständin von medica mondiale

fasst Monika Hauser, Vorständin von medica mondiale zusammen.

Einsatz für Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung wird lebensbedrohlich

Hauser berichtet weiter:

„Menschen, die sich gegen diese Herrschaft des Patriarchats stellen und in den letzten 20 Jahren für Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Frauen gekämpft haben, sind seit dem abrupten, bedingungslosen Abzug der internationalen Truppen, in ihrem Leben bedroht”

Auch die Kolleg:innen der afghanischen Partnerorganisation von medica mondiale mussten im August 2021 ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen einstellen. Sie bekamen Droh-Anrufe und Todesdrohungen. Mittlerweile konnte medica mondiale vor allem dank zivilgesellschaftlicher Kooperation, zum Beispiel “Kabul Luftbrücke” Kolleg:innen bei ihrer Evakuierung nach Deutschland unterstützen.

Mit großer Sorge blickt medica mondiale jedoch auf die sich weiter verschlechternde Situation von Frauenrechtsaktivist:innen, die noch im Land sind:

„Sie werden bedroht, verfolgt und getötet. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt und erpresst. Seitdem die internationale Aufmerksamkeit vor allem auf den Angriffskrieg in der Ukraine gerichtet ist, gehen die Taliban mit einer neuen Welle der Repression gegen Aktivistinnen vor. Wir erhalten immer noch fast täglich Nachrichten von ehemaligen Kolleg:innen, Verbündeten und anderen Aktivist:innen. Sie sind in ihrem Leben bedroht und müssen dringend das Land verlassen.”

erzählt Hauser.

Bundesregierung tut zu wenig, zu langsam

„Auch Frauenrechte wurden instrumentalisiert, um den NATO-Einsatz und das Engagement der internationalen Gemeinschaft zu legitimieren. Die Bundesregierung trägt auch nach Abzug der internationalen Truppen Verantwortung für die Sicherheit dieser Menschen. Sie hat auch die Arbeit unserer Kolleg:innen 20 Jahre lang unterstützt.”

argumentiert Hauser.

Der Ende letzten Jahres vom Außenministerium vorgestellte “Aktionsplan Afghanistan” ist zu großen Teilen noch nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Zwar werden in dem Plan wichtige Maßnahmen zum Schutz von Frauenrechten und Aktivistinnen genannt. Die Umsetzung verläuft jedoch schleppend. So gibt es für Aktivist:innen immer noch keine schnellen Ausreisemöglichkeiten. Hinzu kommt, dass mittlerweile Taliban Ausreisebusse an der Grenze oder an Checkpoints nicht mehr passieren lassen.

„Es ist zu wenig, zu langsam passiert, während sich die Situation für Aktivist:innen immer weiter zuspitzt. Viele der im Aktionsplan angekündigten Maßnahmen kommen zu spät für gefährdete Menschen.”

kritisiert Hauser.

„Auch wenn wir an einigen Stellen das Bemühen der Politik erkennen, reicht das nach 20 Jahren Militäreinsatz und einem katastrophalen Abzug nicht.”

Umgehende Aufnahme gefährdetet Menschen erforderlich

Die Bundesregierung muss für Frauenrechtsaktivist:innen und andere gefährdete Menschen eine Aufnahme in Deutschland ermöglichen. Sie haben 20 Jahre lang mit Unterstützung der Bundesregierung für eine freie Gesellschaft gekämpft und sind auf Grund ihrer Arbeit jetzt in ihrem Leben bedroht. Außerdem fordert medica mondiale, dass sich die Bundesregierung konsequent für die Einhaltung von Frauenrechten gegenüber den Taliban einsetzt. Außerdem müssen Zivilgesellschaftliche Projekte vor Ort finanziell unterstützt werden, z.B. im Bereich Mädchenbildung oder Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen.