Verletzte Helfer. Umgang mit dem Trauma: Risiken und Möglichkeiten sich zu schützen.

Das Buch ist 2009 erschienen im Klett-Cotta Verlag und für 29,00 Euro erhältlich.
Leseprobe
Die Konfrontation hinterlässt nicht nur Spuren im einzelnen Helfer, sondern auch in Helfergruppen und Institutionen. In den letzten 30 Jahren sind überall auf der Welt Behandlungszentren für Kriegsopfer, Opfer häuslicher und sexueller Gewalt, politischer Verfolgung und Folter mit großem Engagement, Optimismus und Idealismus gegründet worden. Fast alle diese Einrichtungen haben eine krisenhafte Entwicklung durchlaufen. Die Aufbruchstimmung der Pionier- und Aufbauphase weicht nach einigen Jahren einer tief greifenden Ernüchterung angesichts von internen Spannungen, chronischen unlösbaren Konflikten, einhergehend mit Symptomen von Erschöpfung bei den Helfern, einer hohen Fluktuation und zahlreichen Spaltungen.
Ein anschauliches Bild davon zeichnet Norbert Gurris aus einer Einrichtung für traumatisierte Flüchtlinge: »Die Arbeit wurde ausgedehnt, manchmal auf Abend-, Nacht- und Wochenendstunden. Überstunden und Urlaubstage wurden eher dem Verfall überlassen. Vorübergehende Phasen von euphorischer Hyperaktivität wechselten sich ab mit Zusammenbrüchen, die im Volksmund wohl als hysterisch angesehen würden. Die Gefühle von Ohnmacht und Verzweiflung machten sich in gegenseitigen Beschuldigungen und Anfeindungen im Team Luft. Junge Praktikanten schilderten panische Ängste, psychisch krank zu werden angesichts des Modellverhaltens der festen Mitarbeiter. Streichungen von Mitteln durch den Träger des Projekts führten zum ›Verschwinden‹ von Kollegen quasi über Nacht. Bei den verbliebenen Mitarbeitern breiteten sich Fantasien von Krieg und Verfolgung in der eigenen Einrichtung aus«. [...]
Diese Studie zielt nicht auf eine Dämonisierung oder Pathologisierung der Helfer. Die Schwächen, Mängel und Konflikte, von denen hier die Rede sein wird, sind nicht Ausdruck schlechten Charakters oder böser Absichten. Alle erwähnten Helfer sind enorm engagierte Personen mit hohen Zielen und gutem Willen. Die Psychotraumatologie ist ein relativ junges Fachgebiet. Die Pioniere der Traumabehandlung haben alle ihre Kräfte eingesetzt zur Gründung von Traumazentren unter z. T. äußerst schwierigen Bedingungen, gegen erheblichen Widerstand in ihrer Gesellschaft und die allgegenwärtige Tendenz zur Verleugnung. Sie gaben und geben ihr Bestes.
Einige sind jedoch entweder an den zu hohen Anforderungen gescheitert oder selbst ungewollt so weit in den immanenten Sog von Gewalt und Destruktivität hineingeraten, dass sie sich selbst und anderen Verletzungen zugefügt haben. Zum Teil wussten sie es nicht besser oder sie hatten nicht die Möglichkeit, sich auf ihre Aufgabe genügend vorzubereiten. Vielerorts gibt es nur wenige oder überhaupt keine Angebote zur beruflichen Aus- und Weiterbildung zum Traumatherapeuten, verbunden mit einer professionell geleiteten Selbsterfahrung. Bisher gibt es nur wenige auf diesem Gebiet erfahrene Supervisoren. Ich würde deshalb die hier beschriebenen Phänomene als Kinderkrankheiten eines relativ jungen und sich noch in der Entwicklung befindlichen Fachgebietes bezeichnen.
Empfehlenswert
Christian Pross benennt in seinem Buch Stressfaktoren für Personen, die belastete Menschen mit traumatischen Erfahrungen unterstützen. Er geht unter anderem auf Spannungen und Spaltungsmechanismen in Teams, auf Stress- und Überlastungssymptome, auf Reinszenierungen von Traumata und Machtmissbraucht, aber auch auf Ressourcen von Unterstützenden ein, damit vorbeugend mit Überlastungen umgegangen werden kann.
medica mondiale, Mai 2019
Über das Buch
„Traumatisierte Menschen zu begleiten birgt besondere Risiken. Christian Pross bereitet sie in dem Buch 'Verletzte Helfer' auf, um Möglichkeiten des Selbstschutzes aufzuzeigen. Der Arzt und Leiter eines Behandlungszentrums für Folteropfer beleuchtet die Risiko-, aber auch die Hilfsquellen für die Helfenden.“
„Überforderte und ausgebrannte Helfer und Therapeuten werden sich und ihre Arbeitsbedingungen in Pross' Buch wieder finden sowie wertvolle Hinweise erhalten, wie sie ihre Kräfte bewahren, Ressourcen nutzen und ihr Engagement erhalten können.“
„Heute gehört es fast zum Allgemeinwissen, dass Betroffene langfristig Therapien brauchen. Die Risiken ihrer Therapeuten aber kommen erst allmählich in den Blick. Christian Pross leistet dazu einen wichtigen Beitrag, indem er vor allem Arbeitsstrukturen und Professionalisierungsgrad von Traumazentren untersucht.”