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06. Mai 2022 - Interview

Selbstbestimmung: "Frauenkörper werden häufig als gesellschaftliches Eigentum betrachtet"

Körperliche Selbstbestimmung ist für Frauen weltweit keine Selbstverständlichkeit. Sowohl in Deutschland, wo Paragraf 218 seit 150 Jahren Abtreibung grundsätzlich unter Strafe stellt, als auch in anderen Ländern weltweit, wird körperliche Selbstbestimmung rechtlich eingeschränkt. Doch was ist körperliche Selbstbestimmung, und warum wird dieses Menschenrecht weltweit angegriffen?

Jessica Mosbahi ist Referentin für Menschenrechte und Politik bei medica mondiale. Im Interview beantwortet sie die wichtigsten Fragen.

Was ist körperliche Selbstbestimmung, und warum ist das Thema wichtig?

J. Mosbahi: Selbstbestimmt und frei über den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu entscheiden, ist ein Menschenrecht. Allen Menschen wird zugestanden, zu entscheiden, ob und mit wem sie sexuelle Beziehungen eingehen, ob sie dabei verhüten, und ob und wann sie schwanger werden möchten.

Wie steht es um das Recht auf Selbstbestimmung weltweit?

Obwohl alle Menschen ein Recht auf Selbstbestimmung haben, wird es Frauen und Mädchen regelmäßig abgesprochen. Das ist leider ein weltweites Phänomen, ob wir nun auf Serbien, Liberia, Afghanistan oder Deutschland schauen. Auch in Europa beobachten wir derzeit den Trend, Frauenrechte weiter einzuschränken. So hat Polen sein strenges Abtreibungsrecht vor Kurzem noch einmal verschärft. Schwangerschaftsabbrüche sind seitdem faktisch unmöglich.

Warum wird die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen angegriffen? Wer hat ein Interesse daran?

Hinter den Einschränkungen stehen bestimmte Geschlechterbilder. Bis heute betrachten viele Regierungen, religiöse Institutionen, aber auch Privatpersonen Frauenkörper als Eigentum, über das Staat, Gesellschaft und Familie mitbestimmen dürfen. Wenn sich Frauen dagegen auflehnen und auf ihre Rechte beharren, werden sie als Gegnerinnen traditioneller Familienwerte kritisiert.

Wie können wir uns als Einzelpersonen dagegen wehren?

Ein wirksames Mittel ist, dem Thema Aufmerksamkeit zu schenken. Wir können uns informieren, Informationen mit Freund:innen teilen und unsere Solidarität mit Frauenrechtsorganisationen und Protestbewegungen in anderen Ländern ausdrücken. Wenn wir alle gegen die täglichen Menschenrechtsverletzungen aufstehen, kann das tatsächlich einen Unterschied machen, auch für Frauenrechte in anderen Ländern.

Interview erschienen im memo 2/2021