Suche
12. September 2024 - Pressemeldung

Neue Studie offenbart schwerwiegende Langzeitfolgen sexualisierter Kriegsgewalt

Eine gemeinsame Studie von medica mondiale und Medica Gjakova beleuchtet die schwerwiegenden Langzeitfolgen von sexualisierter Kriegsgewalt und zeigt, wie massiv sie die physische und psychische Gesundheit sowie das soziale Leben der Überlebenden auch über 25 Jahre nach Kriegsende beeinträchtigt. Und sie zeigt, wie wichtig Unterstützung durch Frauenrechtsorganisationen ist.

Fünf Frauen sitzen an einem Tisch vor eine Präsentation
v.l.n.r.: Melina Kohr, Dea Fetui, Mirlinda Sada, Monika Hauser, Barbara Umrath, Teilnehmerinnen der Konferenz

Im Juni 1999 endete der Kosovo-Krieg, in dem zehntausende Frauen und Mädchen vergewaltigt wurden. Eine Studie von medica mondiale und ihrer Partnerorganisation Medica Gjakova zeigt, wie massiv die psychischen, physischen und sozialen Langzeitfolgen der sexualisierten Kriegsgewalt nach wie vor die Leben der Betroffenen beeinflussen.

„Noch immer haben die Gewalterfahrungen des Kosovo-Krieges enorme Auswirkungen auf die Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt, auf ihre Familien und die Gesellschaft als Ganzes. Trotz der brutalen Folgen und der starken Aktualität des Themas gibt es jedoch noch immer erhebliche Forschungslücken und kaum unabhängige oder staatliche Stellen, die sich des Themas annehmen“, erklärt Monika Hauser, Vorständin und Gründerin von medica mondiale.

Für die quantitative und qualitative Studie wurden Interviews mit insgesamt 200 Überlebenden durchgeführt. 86 Prozent der Befragten erfüllen Kriterien zur Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung, 96 Prozent der einer klinischen Depression und über 70 Prozent geben an, das Gefühl zu haben, ihr Leben sei nicht mehr lebenswert. Und das ist nur ein kleiner Teil der psychischen Folgen. Hinzu kommen massive physische Folgen. Lediglich sechs Prozent der Teilnehmer:innen bezeichnen den eigenen Gesundheitszustand als gut, über die Hälfte beschreibt ihn als schlecht. Sie leiden unter Kopfschmerzen (87 Prozent), Nackenschmerzen (81 Prozent) und Rückenschmerzen (77 Prozent). Hinzu kommen die sozialen Folgen: fast 70 Prozent meiden soziale Aktivitäten, schränken Kontakte ein und ziehen sich aus sozialen Interaktionen zurück. 67 Prozent sind der Überzeugung, dass ihre Gewalterfahrungen das Familienleben vollständig prägen.    

Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, wie essentiell, wirksam und nachhaltig die Unterstützung von Frauenrechtsorganisationen für die Überlebenden ist. Bei der Frage, was ihnen geholfen hat ihr Leben weiterzuführen, nennen die Befragten Medica Gjakova direkt an zweiter Stelle, nach der Familie. „Die Begleitung von Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt muss traumasensibel, langfristig und ganzheitlich erfolgen – durch medizinische Versorgung, psychosoziale und rechtliche Beratung“, beschreibt Mirlinda Sada, Direktorin von Medica Gjakova. „Die positive Rückmeldung zu unserer Arbeit gibt uns Hoffnung und zeigt, dass unsere Arbeit ankommt. Doch eben nur bei denjenigen, die wir erreichen können. Der Großteil der Überlebenden bleibt aufgrund von Ängsten vor Stigmatisierung und Ausgrenzung oder mangelndem Zugang zu Unterstützungsleistungen mit der Gewalterfahrung noch immer allein“, so Sada.

Es ist eine Studie aus Kosovo, aber sie steht exemplarisch auch für alle anderen Regionen, in denen medica mondiale arbeitet.

„Die Ergebnisse und die brutalen Folgen, die physischen und psychischen Erkrankungen und sozialen Einschränkungen, die wir hier dokumentiert haben, sehen wir auch in unseren anderen Projektregionen, in Westafrika, der Region der großen Seen Afrikas, Irak und Afghanistan und den anderen Ländern Südosteuropas. Sie stehen exemplarisch für die Folgen sexualisierter Kriegsgewalt in Konflikt- und Postkonfliktregionen weltweit“, sagt Hauser.

„Auf Basis dieser Ergebnisse und unserer über 30-jährigen Expertise fordern wir von Politik und Gesellschaft, Verantwortung zu übernehmen! Frauenrechtsorganisationen leisten hier einen überlebenswichtigen Beitrag. Dazu müssen sie nachhaltig und konsequent finanziell und politisch unterstützt werden“, fordert Hauser.

„Darüber hinaus müssen die Anerkennung und Aufarbeitung der Gewalt und des Unrechts aktiv gefördert werden, einschließlich rechtlicher Schritte wie Reparationszahlungen, die von den Teilnehmer:innen als die wichtigste Form der gesellschaftlichen Anerkennung des Unrechts durch den kosovarischen Staat bewertet werden“, ergänzt Sada.

Monika Hauser und Mirlinda Sada stehen Ihnen gerne als Interviewparterinnen zur Verfügung.

Weitere Informationen finden Sie in unserer 15-seitige Zusammenfassung als Pressepapier unter diesem Link sowie die komplette Studie auf Englisch finden Sie hier.

Über medica mondiale

medica mondiale ist eine feministische Frauenrechtsorganisation. Seit über 30 Jahren setzen wir uns gegen sexualisierte Kriegsgewalt ein und gegen Machtverhältnisse, die Frauen unterdrücken. Gemeinsam mit Partnerorganisationen in Afghanistan, Bosnien und Herzegowina, Liberia, der Demokratischen Republik Kongo und anderen Ländern unterstützen wir Überlebende sexualisierter Gewalt, stellen uns gegen diskriminierende Machtverhältnisse und stärken Frauenrechtsaktivist:innen. Für eine gerechtere Welt. Für alle.