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04. April 2022 - Interview

Monika Hauser zum 30. Jahrestag des Bosnienkriegs: „Eine andere Art von Politik ist notwendig."

Vor 30 Jahren begann – mitten in Europa – der Bosnienkrieg. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine wächst im Land erneut die Angst vor nationalistischen Spannungen und Abspaltungen. Warum es gerade jetzt wichtig ist, der Region Aufmerksamkeit zu schenken, und wie wichtig dabei eine starke Frauenrechtsbewegung ist, erläutert Monika Hauser im Interview.

Aktivistinnen haben sich auf einem Platz versammelt und halten Plakate in die Höhe.

Vor 30 Jahren begann der Bosnienkrieg. Du bist damals ins Kriegsgebiet aufgebrochen. Was war für dich der Impuls, zu handeln?

Auslöser waren die Berichte über Massenvergewaltigungen – nicht nur die Tatsache, dass das passiert, sondern auch, wie berichtet wurde. Die Frauen wurden in den Medien instrumentalisiert, aber niemand war bereit, etwas für sie zu tun. Das konnte ich nicht akzeptieren. Ich habe nach Verbündeten gesucht und bin ins Kriegsgebiet aufgebrochen. Vor Ort bin ich auf Fachfrauen getroffen, und gemeinsam haben wir das erste Therapiezentrum in Zenica aufgebaut. In den nächsten Jahren folgten weitere.

Bosnien und Herzegowina war lange Zeit kaum im Fokus der deutschen Öffentlichkeit. Im März 2022 besuchte die deutsche Außenministerin das Land. Wie bewertest du dieses Interesse?

Baerbock übernimmt hier eine über Jahrzehnte verschleppte Verantwortung. Nach den Kriegen gab es Versprechungen, doch nach wie vor ist eine EU-Mitgliedschaft in weiter Ferne, das Land gehört zu den ärmsten Europas. Auch die mangelnde Geschichtsaufarbeitung zermürbt viele. Wie viel Schuld, wie viel unbearbeitete Traumata, wie viele Lügen kann eine Gesellschaft ertragen? Es braucht jetzt eine andere Art von Politik. Und es ist wichtig, zivilgesellschaftliche Initiativen zu stärken sowie eine interethnische und feministische Vergangenheitsbewältigung zu fördern. Nur so kann die Spirale von Hass und Gewalt durchbrochen werden.

Welche Projekte unterstützt medica mondiale in der Region?

medica mondiale unterstützt lokale Frauenrechtsorganisationen, die gewaltbetroffene Frauen und Mädchen psychosozial begleiten, sie rechtlich beraten und wirtschaftlich stärken – darunter auch nach wie vor Medica Zenica, die seit 30 Jahren großartige und wichtige Arbeit leisten. Diese Organisationen haben in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte erreicht. Im Kosovo und in Bosnien und Herzegowina haben sie ein Gesetz erkämpft, das Überlebenden Anspruch auf eine monatliche Rente gewährt. Sexualisierte Kriegsgewalt ist längst nicht enttabuisiert, doch die Debatte wird offener geführt. Diese Arbeit wollen wir in Zukunft stärker vernetzen. Seit 2021 arbeiten sieben unserer Partnerorganisationen in einem regionalen Projekt zur feministischen, interethnischen Vergangenheitsbewältigung zusammen. Denn eine starke, gut vernetzte Frauenrechtsbewegung ist eine wichtige Garantin für Traumabearbeitung und den Frieden in der Region!

Was können Unterstützer:innen von medica mondiale für Frauenrechte in der Region tun?

Ein erster und wichtiger Schritt ist, der Region Aufmerksamkeit zu schenken. medica mondiale berichtet immer wieder aus den Projekten, und viele Unterstützer:innen teilen dann unsere Inhalte in den sozialen Medien. Nach wie vor benötigen wir Spenden. Gerade weil die Region wenig im öffentlichen Fokus ist, ist es oft nicht einfach, finanzielle Mittel einzuwerben. Doch der Einsatz für Überlebende und Frieden in der Region benötigt dauerhaft Energie und langfristiges Engagement.

Aktuell gibt es einen neuen Krieg in Europa. Wie nehmen unsere Partnerorganisationen in Südosteuropa den Angriff Russlands auf die Ukraine wahr?

In Bosnien und Herzegowina haben sich die nationalen Spannungen im letzten Jahr deutlich verschärft. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine wächst die Sorge vor Abspaltungen. Umso bewegender empfinde ich es, wie solidarisch sich unsere Partner:innen mit Aktivist:innen und Frauen in der Ukraine zeigen. Viele von ihnen können sich noch gut an den Krieg erinnern und wissen, wie wichtig jetzt eine starke, länderübergreifende feministische Solidarität ist.

Bleiben Sie mit uns an der Seite von Frauen und Mädchen in Bosnien und Herzegowina und unterstützen Sie uns mit Ihrer Spende!

 

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