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14. März 2025 - Interview

Nach der Bundestagswahl 2025: Wie geht es weiter mit Frauenrechten?

Die Bundestagswahl 2025 ist vorbei, die Koalitionsverhandlungen laufen – doch was bedeutet das für den Einsatz für Frauenrechte und den Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt? Während weltweit autoritäre und antifeministische Bewegungen erstarken, stehen auch Frauenrechtsorganisationen zunehmend unter Druck. Wie kann die neue Bundesregierung hier gegensteuern? Und welche politischen Verpflichtungen braucht es, um feministische Außen- und Innenpolitik konsequent umzusetzen? Darüber sprechen wir mit Jeannette Böhme, Referentin für Politik und Menschenrechte bei medica mondiale.

Portraitfoto von Jeannette Böhme, im Hintergrund sind unscharf grüne Bäume zu erkennen

Die Bundestagswahl ist vorbei, die Koalitionsverhandlungen sind im Gang – was bedeutet das für die politische Arbeit von medica mondiale? 

Gerade angesichts der gegenwärtigen Weltlage ist es umso wichtiger, dass die neue Bundesregierung eine feministische Außen- und Innenpolitik umsetzt und sexualisierte Kriegsgewalt bekämpft. Bereits im Vorfeld der Bundestagswahl haben wir uns mit einem Positionspapier an die Parteien gerichtet. Nun treten wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen wieder in Kontakt mit den verhandelnden Parteien, sprechen diese direkt an, um unsere Forderungen darzulegen. 

Jetzt beginnt die politische Realität. Welche Herausforderungen siehst du aktuell, wenn es um den Schutz von Frauenrechten und den Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt geht? 

Die Herausforderungen sind global. Feministische Aktivist:innen weltweit sind mit den gegenwärtigen politischen Entwicklungen konfrontiert. Es ist erschreckend mit welcher Geschwindigkeit mächtige Akteur:innen aktuell darauf hinwirken, Frauenrechte und Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft einzuschränken. In vielen Ländern werden Gesetze erlassen, die Frauenrechte untergraben. Finanzielle Ressourcen wurden drastisch gekürzt. Umso enttäuschender ist es, dass Frauenrechte und feministische Politik im Sondierungspapier von Union und SPD praktisch keine Rolle spielen. Hier muss dringend in den Koalitionsverhandlungen nachjustiert werden. Es braucht entsprechende Verpflichtungen im Koalitionsvertrag. 

Frauenrechte stehen weltweit unter Druck – wie zeigt sich das in Deutschland und international? 

Ich bin gerade bei der UN-Frauenrechtskommission in New York. Hier tauchen auf Veranstaltungen antifeministische Akteur:innen auf und versuchen dreist feministische Aktivist:innen durch Provokationen öffentlich einzuschüchtern - insbesondere, wenn es um die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte geht. Dies ist nur ein Beispiel. Viele unserer Partnerinnen weltweit erleben massive Einschüchterungen durch staatliche und nichtstaatliche Akteur:innen bis hin zu Morddrohungen seit Jahren. Aber auch in Deutschland erleben wir diese Entwicklung – etwa durch Hate Speech im Internet, aber auch aus dem politischen Raum. Umso wichtiger ist es, dass wir als Feminist:innen uns gegenseitig stärken und solidarisch weiterkämpfen.  

Autoritäre und antifeministische Bewegungen gewinnen an Einfluss. Welche konkreten Auswirkungen hat das auf Frauenrechtsaktivist:innen und Überlebende sexualisierter Gewalt? 

Zur konkreten Situation von Frauenrechtaktivist:innen habe ich bereits etwas gesagt. Aber es hat natürlich Auswirkungen auf Frauen und Mädchen, die Gewalterfahrungen machen und Unterstützung suchen. Zum Beispiel wenn die Arbeit von Frauenrechtsorganisationen eingeschränkt ist, weil die Finanzierung fehlt und Angebote gestrichen werden. Oder wenn Frauenrechtsorganisationen aus Sicherheitsgründen verdeckt arbeiten müssen und somit auch für Betroffene nicht sichtbar mit ihren Angeboten sind. Oder wenn Betroffene die Hilfe suchen auch direkt eingeschüchtert und bedrängt werden etwa durch Gehsteigbelästigungen, wenn sie medizinische Versorgung in Anspruch nehmen wollen. 

Die Finanzierung feministischer Politik ist oft unsicher. Trotz globaler Krisen und der Dringlichkeit, Frauen vor Gewalt zu schützen, stehen immer wieder Haushaltskürzungen im Raum. Welche Risiken bringt das mit sich, und was erwarten wir von der neuen Bundesregierung? 

Die offensichtliche Folge ist natürlich, dass die Arbeit von Frauenrechtsorganisationen eingestellt werden muss und Überlebende keine Unterstützung erhalten. Die unsichere Finanzierungslage hat aber auch hohe Planungsunsicherheit für Frauenrechtsorganisationen zur Folge, sodass Maßnahmen zur Unterstützung von Überlebenden on hold sind bzw. neue Maßnahmen nicht angeschoben werden können. Auch sind feministische Aktivist:innen ein wichtiger Teil einer vielfältigen unabhängigen Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie und Menschenrechte gesellschaftlich und politisch einsetzt. Dieses Engagement sollte gestärkt werden. medica mondiale erwartet von der neuen Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu einer demokratischen, unabhängigen und vielfältigen Zivilgesellschaft in Deutschland und weltweit und entsprechendes Handeln.  

Medica mondiale fordert eine konsequente feministische Außen- und Innenpolitik. Was muss jetzt passieren? 

Zunächst sollte sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag zu einer feministischen Außen- und Innenpolitik bekennen. Dann sollte sie konkrete Maßnahmen formulieren. Außenpolitisch sollte sie zum Beispiel endlich den 4. Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN Agenda “Frauen, Frieden und Sicherheit” verabschieden und umsetzen. Innenpolitisch sollte sie unter anderem Schwangerschaftsabbrüche endlichen entkriminalisieren. Grundsätzlich gilt es aber auch, die Menschenrechte zu respektieren und ihren Schutz zu gewährleisten, egal ob es um die Unterstützung gewaltbetroffener Frauen geht oder um das Recht auf Asyl. 

 

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